Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
Vom Netzwerk:
ihm und liebt ihn dafür. Aber ich könnte ihr die Wahrheit sagen und ihre Liebe zu ihm zerstören und damit auch sie.
    Aber Adrian weiß, dass ich es nicht tun werde.
    »Das freut mich ja so«, sagt Ophelia lächelnd zu mir. »Ich habe dir doch gesagt, es würde sich alles einrenken, Eva. Jetzt ist alles gut.«
    »Ja.« Adrian klingt zufrieden. Jetzt, wo er bekommen hat, was er will, kann er es sich leisten, großzügig zu sein. »Lassen wir sie kurz allein, damit sie sich von dem Jungen verabschieden kann.«
    »Soll das heißen … du lässt ihn gehen?«
    Der Wächter kommt mit Sean. »Fünf Minuten«, sagt Adrian zu mir, dann wendet er sich an den Wächter. »Jemand soll die Sachen des Jungen holen, Theseus.«
    Die anderen gehen nach draußen und die Tür wird geschlossen.
    »Was soll denn das?«, fragt Sean. »Warum bekomme ich meine Sachen zurück?«
    Ich schlucke. Ich habe nicht erwartet, dass das Sprechen mir so schwerfallen würde. »Ich … sie lassen dich gehen. Du bist frei.«
    »Wovon redest du?«
    Ich erzähle es ihm. Meine Zunge ist schwer und der Ausdruck auf seinem Gesicht macht alles noch schlimmer, aber ich beichte ihm trotzdem, worauf ich mich eingelassen habe.
    Totenbleich starrt er mich an. »Das ist nicht dein Ernst. Du kannst mich nicht fortschicken.«
    »Du willst doch wohl nicht hierbleiben!«
    »Nicht hier , Eva. Bei dir .«
    »Du hast dein Leben«, sage ich und die ersten Tränen rollen mir über das Gesicht. »Und wenn ich abgelehnt hätte, hättest du alles verloren. Ich weiß nicht, wohin sie dich geschickt hätten. So brauchen wir beide nicht mehr zu fliehen. Uns droht beiden keine Gefahr mehr. Nur so konnte ich dich retten, Sean …« Meine Stimme bricht. »Bitte. Lass es mich tun.«
    Sean fährt sich mit der Hand über die Augen. »Ich soll dich hierlassen, wo du für ihn nur ein nettes kleines Rätsel bist, das er lösen und dann wegwerfen wird, ein kleines Experiment …«
    »Ja.«
    »Eva …«
    »Bitte.«
    Sean sieht mich lange Zeit unverwandt mit seinen dunkelgrün leuchtenden Augen an. Ich will wegsehen, aber ich kann nicht.
    »Na gut«, sagt er. Ich zucke zusammen, so ruhig sagt er es. Es ist schlimmer, als wenn er wütend gewesen wäre. »Wenn du das wirklich willst, will ich dich auf keinen Fall davon abbringen.«
    Er geht zur Tür und klopft, um hinausgelassen zu werden. Dann kommt er noch einmal zurück und küsst mich leidenschaftlich. Ich schmecke Blut und Tränen und noch etwas anderes, was so sehr nach Sean schmeckt, dass ich ihn am liebsten für immer festhalten würde. Als er sich schließlich losmacht, sehe ich an dem Blick in seinen Augen, dass er mir nie verzeihen wird.
    Im nächsten Moment ist er verschwunden.
    Die Sonne lässt die Staubkörnchen im Zimmer golden flimmern. Ich sehe ihnen zu, wie sie durch die Luft wirbeln. Es geht mir tausendmal schlechter als noch vor einer halben Stunde. Jedes Körperteil tut weh und die quälenden Kopfschmerzen sind immer noch da.
    Mir bleibt nicht viel Zeit. Morgen will Adrian mit seinen Experimenten anfangen. Der heutige Tag ist schon fast vorbei. Wenn ich aus der Meisterei fliehen will, vor der Wahl zwischen dem sicheren Tod und Adrian, dann muss ich das bald tun. Ich schließe die Augen. Immerhin habe ich Sean retten können. Wenn ich hier nicht herauskomme, weiß ich wenigstens, dass er nicht für das, was ich getan habe, büßen muss.
    Amarra hat gern Bücher über heroische Schlachten gelesen, mit Schwertern, Schilden und Rittern, die um ihre Ehre kämpften. Solche Schlachten gibt es zwar nicht mehr, trotzdem ist mir, als steckte ich mitten in einer. Vielleicht habe ich einmal gehofft, ich könnte auch so um mein Leben kämpfen: mit Schwert, Schild, Rittern und meiner Ehre. Aber ich habe kein Schwert, mein Schild ist zerbrochen, ich weiß nicht mehr, was ehrenvoll ist. Und jetzt habe ich auch noch meinen Ritter weggeschickt.

10. Ein Preis
    M an bringt mir Wasser und ein spätes Abendessen, aber ich habe keinen Hunger. Ich suche auf dem Tablett nach einem Gegenstand, den ich als Waffe verwenden könnte, aber meine Aufpasser sind vorsichtig. Dort liegen weder Gabeln noch Messer noch irgendwelche spitzen Gegenstände.
    Ophelia kommt ein paarmal vorbei. Von ihr erfahre ich, dass Erik nach London unterwegs ist. Das muntert mich ein wenig auf. Ich sehne mich so sehr nach einem Wiedersehen mit Erik.
    »Eva?« Ophelia ist noch einmal stehen geblieben, bevor sie geht. Sie bemüht sich verzweifelt, zu mir durchzudringen.

Weitere Kostenlose Bücher