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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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Passanten abgesehen leer, vor einem Haus stehen zwei Jugendliche und unterhalten sich.
    Dann sehe ich ihn. Er sieht unauffällig aus, ein ganz normaler Mann in den Dreißigern, aber von allen, die ich sehe, kann nur er Sean so erschreckt haben. Im Unterschied zu den anderen ist er allein. An einen Laternenpfosten gelehnt steht er da und studiert eine Landkarte, als wäre er ein Tourist. Ich will Sean gerade sagen, dass mir der Mann auch aufgefallen ist, da hebt er die Augen und sieht uns direkt an. Ich wende mich rasch ab, um Blickkontakt zu vermeiden. Das Herz klopft mir bis zum Hals. In seinem Blick lag etwas ganz Bestimmtes, etwas Hoffnungsvolles.
    Sean biegt abrupt von der Straße zum Park ab. Ich folge ihm und streife den Mann noch einmal mit einem flüchtigen Blick. Ich könnte schwören, er sieht enttäuscht aus.
    »Was ist?«, frage ich Sean, sobald wir den Kinderspielplatz erreicht haben und der Mann uns nicht mehr hören kann.
    Sean zuckt die Schultern. »Ich bin nur vorsichtig.«
    Ich sehe ihn ungläubig an. »Du hältst den Mann für einen Jäger.«
    »Er könnte einer sein.«
    Ein Jäger . Das Wort klimpert in meinem Kopf wie eine Handvoll Münzgeld. Von den Jägern habe ich schon vor Jahren erfahren. Niemand hat es mir gesagt. Wahrscheinlich wollte man mir keine Angst machen. Ein Geheimnis aus Mina Ma herauszubekommen ist eine harte Nuss, aber Mina Ma kann nicht verhindern, dass ich lausche. Ich hörte damals, wie sie sich mit Erik über Menschen unterhielt, die überall auf der Welt Echos jagen und töten. In den Nachrichten werden sie Hüter der Ordnung genannt. Es handelt sich um einen alten Geheimbund, der die Erschaffung und Existenz unnatürlicher Wesen, wie ich eines bin, verhindern will.
    Die Jäger sind der Grund, weshalb ich anderen nicht sagen darf, was ich bin. Wegen ihnen werde ich in dem Haus am See versteckt und darf nicht mit normalen Menschen zusammen sein. Und wegen ihnen hat Mina Ma eine Pistole und doppelte Schlösser an den Türen und wird sofort misstrauisch, wenn Fremde uns in der Stadt ansprechen.
    Ich selbst hatte vor den Jägern nie Angst. Es ist ein wenig so, als stehe man zwischen einem blinden und einem sehenden Tiger. Man kann nicht beide im Auge behalten. Also ignoriert man den blinden. Er weiß ja nicht, wo du bist. Er kann bloß deine Witterung aufnehmen. Du passt also nur auf den anderen Tiger auf, weil der dich nicht erst suchen muss. Er kann dich mit einem einzigen Satz fangen.
    Entsprechend war mein Blick immer auf die Meister und ihre Gesetze gerichtet. Bis jetzt. Jetzt, mit dem Fremden in der Nähe und einem ängstlichen Sean neben mir, ist mir zum ersten Mal ein wenig mulmig.
    »Der Typ ist vollkommen harmlos, Sean.«
    Sean presst die Lippen zusammen. »Glaubst du, ich leide an Verfolgungswahn?«
    »Ja, eigentlich schon«, sage ich und schiebe die unwillkommenen Zweifel beiseite. »Wie sollte ein Jäger mich überhaupt finden?«
    Sean beantwortet die Frage mit einem stummen Blick. Die Prügelei. Erik hat versucht zu verhindern, dass die Kinder und ihre Freunde und Eltern darüber reden, aber ein einziges Wort an die falsche Person wäre schon genug. Auf diesem Weg könnte ein Jäger von dem Gerücht erfahren haben. Und wo ich wohne.
    »Er sah enttäuscht aus, als wir in den Park abgebogen sind«, sagt Sean. »Er hat erwartet oder gehofft, dass wir zum Haus gehen. Wenn er wirklich ein Jäger ist, wollte er wahrscheinlich wissen, wie du aussiehst. Wenn er das weiß, kann er dir folgen und warten, bis du allein bist …«
    »Hör auf«, sage ich scharf. »Das ist albern!«
    »Aber so machen sie es.«
    »Er ist wahrscheinlich nur ein Tourist …«
    »Und wenn nicht?«
    Ich musste mich noch nie so anstrengen, keine Angst zu haben. Ich beiße mir auf die Lippen. »Dann ist ja nichts Schlimmes passiert.« Es soll gleichgültig klingen. »Wir sind an unserem Haus vorbeigegangen, er hat also keinen Grund anzunehmen, dass ich die gesuchte Person bin.« Ich setze ein tapferes Gesicht auf. »Ich weiß, du bist nur vorsichtig, Sean, aber ich glaube, du irrst dich.«
    »Egal«, sagt Sean mit einem flüchtigen Blick über die Schulter. »Er sieht uns immer noch nach und ich kehre erst zum Haus zurück, wenn er weg ist.«
    Er dreht sich um und geht ein paar Schritte zu einem jungen Vater, der bei seiner Tochter an der Rutsche steht. Ich bleibe, wo ich bin, und klammere mich an meine Überzeugung, dass ich vor Jägern keine Angst haben muss, da sie mich sowieso nie finden

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