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Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Lost Girl. Im Schatten der Anderen

Titel: Lost Girl. Im Schatten der Anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfram Ströle
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an meiner Schulter ein. Ich war doppelt überrascht: einmal darüber, dass er einschlief, und zum anderen über das warme Gefühl, das sich in meiner Brust breitmachte.
    Ich mache es mir auf dem Sofa gemütlich und habe schnell verstanden, worum es bei der Sendung geht: Teenager, die insgeheim Helden sind, retten die Welt vor üblen Bösewichten.
    »Dad hat mir und Sash erzählt, dass du Eva heißt«, sagt Nikhil. »Ich glaube, er mag es nicht, wenn wir dich Amarra nennen.«
    Ich vergesse den Fernseher und wende mich ihm zu. »Stimmt«, sage ich vorsichtig, »ich habe mich nach einem Elefanten benannt.«
    Das gefällt den beiden so gut, dass ich erzählen muss, wie es dazu kam.
    »Dad meinte, wir sollten es Mummy nicht verraten«, sagt Sasha schüchtern, als ich fertig bin. »Aber wenn sie nicht da ist, können wir dich doch so nennen, oder?«
    Ich nicke. »Ja, das würde mich wirklich freuen.«
    »Nik sagt, Amarra kommt nicht mehr zurück«, sagt Sasha. »Stimmt das?«
    »Ja«, sage ich, »es tut mir leid.«
    Sasha überlegt eine Weile, dann nickt sie und konzentriert sich wieder auf die Sendung. Ich streiche ihr über die Haare.
    Verstohlen werfe ich Nik einen Blick zu. Er versucht zu lächeln. »Es gefällt mir, dass du dir selbst einen Namen gegeben hast. Ich überlege, ob ich meinem Echo davon schreibe. Vielleicht will er auch einen eigenen Namen.«
    »Du hast ein Echo?«
    »Ja«, sagt er, als hätte ich es wissen müssen, womit er vermutlich auch Recht hat. Warum sollte man nur für ein Kind ein Echo machen lassen und nicht für die anderen? »Sash hat auch eins. Hat Amarra dir das nie geschrieben?«
    »Nein.« Ich runzle die Stirn. »Aber wie konnten eure Eltern sich das leisten? Ein Vormund von mir hat mir erzählt, ein Echo anfertigen zu lassen würde Unmengen von Geld kosten.«
    »Die Meister haben dich und unsere Echos umsonst gemacht«, erklärt Nikhil zu meiner Überraschung. »Ich weiß das von Dad. Er sagte, sie entscheiden jeweils im Einzelfall, wie viel sie berechnen. Da außer ihnen niemand Echos herstellt, können sie so viel oder so wenig verlangen, wie sie wollen.«
    Mir fällt wieder ein, wie seltsam Matthew und Alisha sich bei ihrer Begegnung benommen haben. »Wahrscheinlich haben die Meister deine Eltern gemocht.«
    »Ja. Irgendwie komisch.«
    »Ist es unangenehm?«, frage ich Nikhil leise. »Ein Echo zu haben?«
    »Nicht für mich. Es ist wie ein Brieffreund. Mein Echo ist wirklich nett. Das von Sasha kenne ich natürlich nicht, ich habe nie mit ihm gesprochen.«
    »Ihr sprecht mit euren Echos? Und du magst deins?«
    Nik nickt.
    Ich starre ihn verblüfft an. »Aber deine Schwester konnte mich nicht ausstehen.«
    »Ich bin nicht meine Schwester«, sagt Nikhil, »und du bist nicht mein Echo.«
    »Aber vielleicht ersetzt dein Echo dich eines Tages. Ist das nicht eine schreckliche Vorstellung für dich? Dass dein Echo dann an deiner Stelle hier in deiner Familie lebt?«
    »Nein«, antwortet Nik so ruhig, dass es mich schier zur Verzweiflung bringt. »Mir täten nur die Menschen leid, die traurig sind, wenn ich vor ihnen sterbe. Ich finde es beruhigend zu wissen, dass es in diesem Fall jemanden gibt, der sie ein wenig trösten kann.«
    Ich sehe ihn unverwandt an. Es tut mir in der Seele weh, den noch nicht einmal zwölfjährigen Nikhil so reden zu hören. Er ist so erstaunlich selbstlos und in seinen Gedanken so klar und in sich ruhend, dass ich mich schäme.
    »Für mich bist du sowieso nicht Amarra«, fährt er fort. »Ich habe also auch nicht das Gefühl, dass du sie uns weggenommen hast. Für mich bist du Eva. Du bist nicht ein Ersatz für Amarra, sondern jemand anders, der jetzt hier lebt. Und so wäre es auch, wenn ihr beide zur selben Zeit hier wärt.« Er blickt zu mir auf. »Und ich mag dich. Du tust alles, damit es uns besser geht.«
    Ich erwidere sein Lächeln, so gut ich kann. An diesen Moment werde ich mich später und für alle Zeiten erinnern. Als einen Wendepunkt. Bis dahin habe ich versucht, Amarras Familie zu helfen, damit es mir gut geht. Denn nur wenn sie mich mag und ich wie ihre Tochter bin, darf ich bleiben. Doch als ich jetzt Nikhils Blick erwidere, denke ich, dass ich ihnen auch um ihretwillen helfen sollte. Wenn es mir gelingt, dass es Nikhil und Sasha und auch Alisha ein wenig besser geht, habe ich etwas Wichtiges geleistet. Dann brauchen sie mich. Dann habe ich zumindest teilweise das getan, wofür ich geschaffen wurde.
    »Ich mag dich auch«, sage ich zu Nik.
    »Und

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