Lost Land, Der Aufbruch
finden wir einander vielleicht nie.«
»Genau«, pflichtete Chong ihr eilig bei. Er war vor Angst ganz grün im Gesicht und schwitzte wie verrückt. AuÃerdem umklammerte er den Baumstamm, als wollte der sich von ihm entfernen. »Hierbleiben ist gut.«
Lilah nickte. »Tom ist ein guter Jäger. Er wird uns finden.«
»Aber was, wenn nicht?«, fragte Benny.
»Er wird uns finden.«
»Und was ist, wenn ihm was passiert ist?«
»Er wird uns finden.«
Dann sagte eine Stimme: »Er hat euch schon gefunden.«
Benny riss so schnell den Kopf herum, dass er fast vom Baum gefallen wäre. »Tom!«
Tom Imura stand im hüfthohen Gras am Fuà des Baums. Seine Kleidung war mit Schlamm und Grasflecken beschmiert, und sein schwarzes Haar hing ihm schweiÃnass und in Strähnen ins Gesicht, aber er war kein bisschen auÃer Atem und hielt Lilahs Speer in den Händen.
»Kommt runter«, forderte er sie grinsend auf.
Der Reihe nach kletterten sie auf den niedrigsten Ast und sprangen dann hinunter. Chong folgte als Letzter, seine Beine zitterten sichtbar.
Benny lief hinüber zu Tom. »Versteh das jetzt nicht falsch«, sagte er und umarmte seinen Bruder kurz, aber heftig. Dann lieà er Tom abrupt los und schob ihn fort, als sei er verstrahlt. »Okay, das reicht.«
Nix kam und umarmte ihn ebenfalls.
»Ein toller Start«, bemerkte Tom. Er meinte es scherzhaft, aber Nixâ Augen blitzten besorgt auf.
»Tom ⦠ich will nicht wieder zurück!«
»Aber ich«, gestand Chong.
Sie wirbelte herum, und Benny wusste, dass sie im Begriff war, Chong mit einem beiÃenden Kommentar über den Mund zu fahren. Doch als sie seinen vollkommen verzweifelten Gesichtsausdruck sah, entspannten sich ihre Züge und sie schwieg. SchlieÃlich wandte sie sich wieder an Tom und versicherte erneut: »Ich will nicht zurück.«
»Darüber reden wir gleich«, sagte Tom sanft. »Lasst uns zuerst mal zu Atem kommen.«
»Und das Tier?«, fragte Lilah, als sie ihren Speer von Tom entgegennahm. Es war kein Blut daran. »Hat nicht mal seine Haut angeritzt.«
»Naja, wenn ich ehrlich sein soll: Meine Kugeln konnten ihm auch nicht viel anhaben.«
»Du hättest ihm ins Auge schieÃen können«, warf Benny ein.
»Das hätte ich auch getan, wenn ich Chong und euch nicht da raus bekommen hätte. Ansonsten wäre es nämlich falsch gewesen, das Tier zu töten.«
Lilah knurrte und nickte dann.
Nix war sich weniger sicher. »Wird es uns verfolgen?«
»Nein. Das hier ist sein Revier. Es ist ein Weibchen und es hat ein Kalb hinter der Lichtung versteckt.«
»Ein Kalb?«, fragte Benny ungläubig. »Dieses Monster ist eine Nashornmutter?«
»Dann hat sie ihr Kleines beschützt?«, hakte Nix nach.
»Sieht so aus.«
»Und du hast sie vorher noch nie gesehen? Ich dachte, du wärst ständig hier oben in den Bergen unterwegs.«
»Auf diesem Pass bin ich schon eine ganze Weile nicht mehr gewesen. Das Kalb kann nicht älter als drei oder vier Monate sein. Ich weià nicht viel über Nashörner, aber ich nehme an, dass die Mutter hergekommen ist, um ein ruhiges Plätzchen für ihr Baby zu suchen. Auf dieser Seite des Berges lebt sonst niemand.«
»Wo kommt sie her?«, wunderte sich Benny.
»Wahrscheinlich aus einem Zoo oder einem Zirkus. Früher gab es Leute, die sich einen Privatzoo hielten. Und auch in derFilmindustrie wurden Tiere eingesetzt. Es muss eine Menge wilder Tiere im Leichenland geben. Mein Freund Solomon Jones hat einmal einen toten Bären drüben im Yosemite gefunden, der aussah, als sei er von irgendetwas mit riesigen Zähnen und Klauen zerfleischt worden. Und dann gibt es da noch diesen Typen namens Preacher Jack, der drauÃen in Wawona lebt und schwört, er hätte Tiger in freier Wildbahn gesehen. Wenn Tiere aus dem Zoo entlaufen sind, könnte er also alles Mögliche gesehen haben. Einen Löwen oder tatsächlich einen Tiger â¦Â«
»Vielleicht handelte es sich ja um den Feigen Löwen«, murmelte Lilah.
Benny lachte. Es war das erste Mal, dass sie so etwas wie einen Witz gemacht hatte.
Tom deutete mit dem Kinn in die Richtung, aus der er gekommen war. »Vor der Ersten Nacht gab es mehr Tiger in Amerika â in öffentlichen und privaten Zoos und im Zirkus â als in ganz Asien zusammen. Und das
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