Lost Land
Benny. Das hätte uns etwas überden Wert menschlichen Lebens lehren sollen. Gameland dürfte es gar nicht geben. Es muss zerstört werden.«
»Sie haben es schon einmal wieder aufgebaut. Würden sie es denn nicht noch einmal tun?«
»Mag sein. Und wenn sie es täten, sollte immer jemand bereit sein, es wieder niederzubrennen.«
»Wer? Du?«, fragte Benny. Im nächsten Moment wurde er sich jedoch bewusst, dass in seiner Stimme groÃe Zweifel an den Fähigkeiten seines Bruders mitschwangen, und er bereute seine Worte sofort. Seine Bemerkung war Teil eines alten Verhaltensmusters â dabei hasste er Tom doch gar nicht mehr. Nach den Erlebnissen während ihres ersten gemeinsamen Ausflugs im Leichenland und den Ereignissen am Abend zuvor sah Benny seinen Bruder in einem völlig anderen Licht. Doch die Worte waren ausgesprochen und Benny wusste nicht, wie er sie hätte zurücknehmen können.
Tom blinzelte in die Sonne. Seine Kiefermuskeln verspannten sich und zuckten leicht. »Ein paar der Reisenden und Händler, mit denen ich gesprochen habe, wussten zu berichten, dass bestimmte Kopfgeldjäger, deren Namen sie nicht nennen wollten, Kinder aufgegriffen haben, Mädchen und Jungen, um sie nach Gameland zu verschleppen.«
»Kinder? Von wo? Ich hab noch nie gehört, dass Kinder aus der Stadt vermisst würden.«
»Es gibt noch andere Städte, Benny. Und manche Kinder leben bei den Raststättenmönchen. Selbst einige der Eremiten haben Kinder. Keins dieser Kinder würde vermisst werden, jedenfalls nicht von den Leuten in Mountainside. Gerade deswegen wählen die Kopfgeldjäger sie ja als Opfer aus. Und hier drauÃengibt es niemanden, der sie beschützt â niemanden, der für sie eintritt oder seine Stimme für sie erhebt. Die Welt hier drauÃen ist schlecht, durch und durch schlecht.«
»Die ganze Welt?«, fragte Benny. »Mehr gibt es nicht? In der Stadt herrscht nur Angst und hier drauÃen das Böse?«
»Hoffentlich nicht.«
Der Weg ging um eine Kurve, entfernte sich abrupt vom Wasserlauf und führte schlieÃlich aus der Deckung der Bäume heraus durch eine Abfolge niedriger, felsiger Hügel. Ohne den Baldachin aus kühlenden Blättern kehrte die Hitze wie eine Plage zurück. Trotz seines Hemdes fühlten sich Bennys Schultern und Rücken wie gegrillt an; seine Unterarme glühten sonnenverbrannt und der Schweià drang ihm aus allen Poren und verdunstete sofort, ohne seine Haut jedoch spürbar zu kühlen.
Tom betrachtete die Landschaft eingehend und brachte sein Pferd schlieÃlich mit besorgter Miene zum Stehen.
»Was ist los?«, fragte Benny leise.
»Das ergibt keinen Sinn«, flüsterte Tom und zeigte auf eine Stelle, wo der Weg zwischen zwei Felswänden hindurch eine Kurve beschrieb. Darüber wölbte sich der rostrote Bogen einer alten Eisenbahnbrücke. »Weiter unten befindet sich eine natürliche Senke, die alle meiden, weil es dort vor Zombies und Nombies nur so wimmelt. Als ich das letzte Mal hier entlangkam, standen ein paar Hundert lebende Tote da herum.«
»Ein paar Hundert?«
»Ja. Einige von ihnen sind wahrscheinlich seit der Ersten Nacht dort. Andere hat es irgendwie dorthingezogen.«
»Von der Schwerkraft angezogen, richtig? Immer dem abschüssigen Gelände nach.«
»Genau. Da unten treffen sich mehrere Wege. Ein Highway kreuzt zwei Feldwege und die StraÃe, auf der wir uns hier befinden. Ist eine ziemlich groÃe Kreuzung.«
»Und ⦠warum machen wir dann nicht einfach einen Bogen darum?«
»Das könnten wir tun, aber die Fährte, der wir folgen, führt genau auf dieser StraÃe entlang.« Er zeigte auf sichtbare FuÃspuren im weichen StraÃenrand.
»Das ergibt keinen Sinn. Warum sollte Charlie direkt in ein ganzes Nest von Zombies marschieren? Er kennt das Leichenland doch angeblich so gut wie du, oder nicht?«
»Er kennt es wie seine Westentasche ⦠sogar besser als ich, weil er mehr Zeit hier verbringt.«
»Okay, hör zu ⦠Ich bin vielleicht nur dein kleiner Bruder und ganz bestimmt kein Kopfgeldjäger, aber schreit hier nicht alles: âºVorsicht! Falle!â¹?«
Auf Toms Gesicht zeigte sich der Anflug eines Lächelns. »Meinst du?«
»Dann weiÃt du also, dass es eine Falle ist?«
»Benny, die ganze Sache hier ist eine Falle.
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