Lost Land
ob sein Gewissen vielleicht aufschrie und laut protestierte. Doch trotz all der düsteren Gefühle in seinem Inneren hörte er lediglich den Klang von Morgies bebender Stimme auf den Stufen vor Nixâ Haus und Toms Stimme, während dieser die sterbende Jessie Riley in den Armen hielt. Und den Klang von Nixâ schrecklichem Schluchzen in der vergangenen Nacht. Falls sein Gewissen etwas zu seiner Tat zu sagen hatte, dann wagte es jedenfalls nicht, seine Stimme laut genug zu erheben, dass Benny es hätte hören können. Und ein anderer Teil von ihm wünschte sich förmlich, er hätte das spitze Heft seines zerbrochenen Holzschwerts in den groÃen Mann mit der blassen Haut und dem roten Auge getrieben, der nun 30 Meter entfernt stand, die Fäuste in die Hüften gestemmt. Wenn Tom ihm doch nur das SchieÃen beigebracht hätte! Doch Benny wusste genug über Handfeuerwaffen, um zu begreifen, dass 30 Meter eine sehr groÃe Distanz für einen präzisen Pistolenschuss waren. Selbst wenn er das gesamte Magazin in Richtung Steg leeren würde, traf er vielleicht niemanden und würde im Gegenzug todbringende Schüsse aus ihren Gewehren auf sich ziehen: Charlie hatte eine Büchse geschultert.
Vorsichtig beugte Benny sich zu Nix und Lilah vor und formte mit den Lippen die Worte: »Bleiben oder gehen?«Lilah machte mit nach unten gerichteten Handflächen eine Geste. Bleiben.
Charlie trat an das Geländer des Stegs und schaute auf den Berghang und den Wald ringsum. Sein Blick schweifte langsam von einer Seite zur anderen und verharrte einen schaurigen Moment lang genau an der Stelle, wo Benny und die Mädchen kauerten. Ob dieses böse rote Auge sie sehen konnte? Doch irgendwann wanderte sein Blick weiter, in eine andere Richtung.
Der Hammer kam zu Charlie herüber und meinte: »Das ist totale Zeitverschwendung, Charlie. Lass uns die Kinder schnappen und uns aus dem Staub machen.«
»Mir gefällt das nicht«, knurrte Charlie. »Wäre schlampig, diese Sache nicht zu Ende zu bringen.«
»Jaja, aber Zeit ist Geld«, entgegnete der Hammer. »Wir haben schon ein rundes Dutzend für die Spiele zusammengetrieben.«
»Und was ist, wenn es der kleine Imura zurück in die Stadt schafft?«
Der Hammer lachte über diese Vorstellung. »Zwischen ihm und der Sicherheit der Stadt steht eine ganze Armee von Zombies, Charlie. Wenn er Glück hat, fällt er hin und bricht sich das Genick, bevor sie ihn erwischen.«
»Und wenn er Pech hat, nehme ich seine Fährte auf«, grinste Charlie.
»Wahre Worte, Bruder«, bekräftigte der Hammer und schlug ihm auf den Rücken. »Wahre Worte.«
»Okay, auf gehtâs. Houston John und Bull dürften heute Abend eintreffen und ich will bei Tagesanbruch los.« Charlie wandte sich ab und die drei Männer kletterten die Leiter hinunter.Die Leichen ihrer Freunde lieÃen sie einfach zurück, als wären sie nicht einmal die Mühe wert, sie zu begraben. Nachdem die Männer den Boden erreicht hatten, schauten sie sich kurz um und verschwanden dann wieder im hohen Gras. Die Richtung, die sie einschlugen, lieà Benny vermuten, dass sie direkt zum Highway zurückkehrten â oder zumindest in dessen Nähe, von wo aus ihr eigener Pfad sie zu ihrem Lager führen würde.
Benny wandte sich Nix zu und wollte gerade etwas sagen, doch Lilah legte einen Finger an die Lippen und hielt ihn dort eine geschlagene Minute. Dann erhob sie sich langsam aus ihrer geduckten Haltung und suchte die Lichtung und den Wald dahinter ab. SchlieÃlich entspannten sich ihre Schultern und sie drehte sich wieder zu Benny und Nix um.
»Danke«, sagte Benny.
Das Verlorene Mädchen wirkte einen Moment verwirrt, als wüsste es nicht, wie es darauf reagieren sollte.
»Woher hast du gewusst, dass wir Hilfe brauchen?«, fragte Nix.
Lilahs Lippen bewegten sich, während sie sich um eine Antwort bemühte und dabei nach Worten rang. Zum zweiten Mal fragte Benny sich, wie lange es wohl zurücklag, dass sie mit einem anderen Menschen gesprochen hatte.
»Folgen«, setzte sie an, korrigierte sich dann aber. »Ver- folgen. Männer. Verfolgen Männer?« Sie formulierte es als Frage, in der Hoffnung, dass Benny und Nix sie begreifen würden.
»Du hast die Männer verfolgt?«, hakte Nix nach.
»Ja«, bestätigte Lilah. »Die Männer verfolgt. Ich
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