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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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inszenierte Pause wohl zu lang zu werden, denn er
brüllte auf die Bühne hinab: »Und glaubt kein Wort von dem, was er gesagt hat:
Nichts als Faulheit! Er will sich lieber guillotinieren lassen als eine Rede
halten! So geht’s weiter im Text!«
    Das Publikum lachte. Umbaumusik ertönte.
    * * *
    Albertos Handy vibrierte. Bei dem Lärm, den sie hier im Theater
veranstalteten, hätte er sich nicht die Mühe machen müssen, es leise zu
stellen. Er griff in seine Jackentasche und bediente den Touchscreen. Es war
eine SMS mit deutlicher Botschaft: »Adler
eliminieren.«
    Das wurde aber auch Zeit. Den Lackaffen hatte er von Anfang an nicht
ausstehen können. Noch bevor er wusste, dass Adler ein elender Mafiajäger war,
hätte er ihn in die Gosse treten können. Alberto lachte in sich hinein. Am
liebsten hätte er ihn in der Pause auf die Bühne geschleift und mit der
Guillotine geköpft. Aber die durfte sicher nicht so gut funktionieren wie das
Rasiermesser von 1792. Immerhin war man hier im Theater. Da roch das Blut nach
Hustensaft und schlechter Tomatensoße. Da durfte man keiner Guillotine aus der
Requisitenkammer vertrauen. Da vertraute man doch besser seiner Garrotte.
    Das Handy brummte wieder. Und als ob Il Cervello Albertos
Gedanken gelesen hätte, lautete die Anweisung. »Einmaliger Schuss ins Herz.«
    Alberto steckte das Handy enttäuscht ein. Aber das Hirn war der
Boss. Es würde sich schon etwas dabei gedacht haben. Das Handy brummte erneut.
Alberto zog es abermals hervor: »Vierter Akt, Szene 9, Lucile: ›Es ist ein
Schnitter, der heißt Tod, hat Gewalt vom höchsten Gott.‹ Dann Schuss.«
    Alberto blähte die Wangen. Im Theater also, noch während der
Vorstellung. Er kannte das Stück nicht, wusste noch nicht einmal, wie viele
Akte der Schinken hatte. Er würde sich ein Programmheft kaufen müssen, um sich
zu orientieren. Und dann: Wie sollte er an Adler rankommen? Er hatte nur seine
Luger dabei. Ohne Schalldämpfer. Das würde Krach machen. Vielleicht konnte er
Adler irgendwie aus der Loge locken? Valentina durfte ihn nicht noch ein
weiteres Mal sehen. Vor allem nicht als Todesschützen.
    Er sah hinüber zur Loge. Mit einem Zielfernrohr und einem
Präzisionsgewehr wäre es von hier oben ein Kinderspiel. Aber er konnte nicht
einfach ein Gewehr auf der Brüstung ansetzen. Die Leute würden ihn sofort
überwältigen. Es sei denn, sie glaubten, er wäre Teil der Inszenierung.
    * * *
    Die Nachtschwester hatte ihn nicht abwimmeln können. Schnellen
Schrittes marschierte er den kalten Gang entlang und trat, ohne anzuklopfen, in
das Zimmer ein. Da lag sie. Ihr blondes Haar über das Kissen ausgebreitet, der
Blick starr zur Decke gerichtet. Sie war wach. Ob sie deswegen auch ansprechbar
war, würde sich zeigen.
    Parizeks Haltung hatte sich seit dem Eintritt ins Zimmer verändert.
In seinem Sichnähern lag jetzt eine ihm sonst fremde Behutsamkeit. Vielleicht
war es die Nähe zum Tod, die ihm der blonde Engel suggerierte. Er war keine
Memme. Jetzt aber hatte ihn eine Art Ehrfurcht ergriffen, die ihm unbekannt
war. Es mochten die Kerzen sein, die auf der Fensterbank flackerten und das
Zimmer kirchlich ausleuchteten.
    Nicola hatte ihn sicher bemerkt. Aber sie hielt ihren Blick
weiterhin an die Decke gerichtet. Sie schien in den tanzenden Schatten, die
durch das Kerzenlicht und ein Mobile von Schmetterlingen an die Decke geworfen
wurden, Formen und Bilder zu sehen, die ihr wichtiger waren als der Auftritt
Parizeks.
    Parizek räusperte sich, etwas Besseres fiel ihm nicht ein. Und es
wirkte. Nicola nahm den Blick von der Decke und wandte ihm den Kopf zu.
    »Entschuldigen Sie die Störung«, sagte Parizek. »Aber ich habe noch
ein paar Fragen an Sie.« Er kam näher heran und hielt ihr den Mund zu, da ihre
aufgerissenen Augen einen Schrei ankündigten, den Parizek nicht gebrauchen
konnte.
    »Ganz ruhig, Mädchen. Ganz ruhig. Ich tu dir nichts, ich bin von den
Guten. Auch wenn es nicht immer so aussieht.«
    Er merkte, dass Nicolas Augen sich noch mehr weiteten, und begriff
dann, dass er ihr nicht nur den Mund, sondern auch die Nase zupresste. Rasch
nahm er die Hand weg, Nicola schnappte nach Luft.
    »Wollen Sie etwas trinken?«, fragte er.
    Nicola nickte. In ihrem Blick tanzte die Angst der Irren. Ein
entrücktes Lächeln kräuselte ihre zarten Lippen und schien allen möglichen
Geistern und Teufeln zu gelten, nur nicht Parizek. Er nahm die Karaffe mit dem
Wasser, die neben dem Bett stand, und füllte ein Glas damit.

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