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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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Ende, das kennt nur der Dichter. Er hält
die Fäden in der Hand, und er lässt sie sich um keinen Preis aus den Fingern
nehmen. Eher verbrennt er sein Manuskript. Er hat gewusst, dass Sie kommen
werden.«
    »Wo ist er?«
    Deutsch kicherte wieder. »Wo denken Sie hin. Glauben Sie etwa, man
kann ihn so einfach treffen? Einen Termin abmachen wie mit einem Psychiater?
Außerdem stehen Sie ja ohnehin in ständigem Austausch. Nein, nein, er wird Sie
schon aufsuchen, wenn Sie so weit sind. Sie stellen noch zu viele Fragen, die
aus dem Katalog der Polizei entstammen. ›Wo ist er?‹ Wenn ich das schon höre.
Und was werden Sie ihn dann erst fragen, wenn Sie ihm gegenüberstehen? ›Wo
waren Sie gestern Abend zwischen Dipf und Dupf?‹«
    Er schüttelte seinen Jakobinerschopf und wischte sich mit Daumen und
Zeigefinger die Lachtränen aus den Augen. »Entschuldigen Sie bitte vielmals.
Aber es ist zu komisch.«
    »Ich finde es auch sehr lustig«, sagte Valentina trocken. »Wo ist
er?«
    Deutschs Heiterkeit endete jäh. »Er ist überall. Fast wie Gott, nur
dass es ihn gibt. Sie entschuldigen mich. Ich muss arbeiten. Der Markt heute
ist für mich ein besonderes Geschäft.«
    »Was kosten ›Die drei Musketiere?‹«, fragte ein Mann mittleren
Alters, den man auf den ersten Blick eher für einen Kafka-Leser halten würde.
Hohlwangig, Nickelbrille, pechschwarzes Haar und eine Nase, mit der er
Brotkrumen aus dem Kies picken könnte.
    »Schon verkauft.« Deutsch nahm den Band und reichte ihn Valentina.
Sie griff ihn und starrte Deutsch grimmig an.
    »Sie wollen doch nicht etwa gleich am ersten Tag drei Duelle mit den
berühmtesten Fechtern von ganz Paris? Zügeln Sie Ihre Hitze, dann haben Sie
vielleicht eine Chance, einen Treffer zu setzen. Guten Tag.« Er kehrte
Valentina den Rücken zu und verschwand im Laden.
    »Er hat Sie sicher nicht übers Ohr gehauen, egal was er von Ihnen
dafür verlangt hat. Diese Ausgabe ist ein kleines Vermögen wert«, flüsterte der
Mann mit der Rabennase.
    Valentina sah zu ihm auf. Sie war nicht klein, aber der Mann neben
ihr war ein dünner Riese, und sein Zinken wuchs sich aus der Untersicht zu
einem Eispickel aus. Sie trat ein Stück zur Seite, weil ihr die scharfe Spitze
zu nahe gekommen war. Der Mann schien die Größe seiner Nase nicht im ganzen
Ausmaß realisiert zu haben, jedenfalls hielt er keinen Sicherheitsabstand ein.
Im Gegenteil: Er rückte nach.
    »Was haben Sie ihm gezahlt? Ich gebe Ihnen das Doppelte dafür.«
    Valentina trat einen weiteren Schritt zurück, er schob sich wieder
an sie ran. »Das Dreifache«, bot er. »Ich habe noch nie das Dreifache geboten.
Das Dreifache bietet man nur in ganz besonderen Fällen. Mein Vater hat sogar
gesagt: ›Das Dreifache bietet man nur einmal im Leben. So wie man auch nur
einmal im Leben wirklich liebt.‹«
    »Eine veraltete Vorstellung, finden Sie nicht?«
    »Konservativ, ja. Bücher sind nun mal konservativ, auch wenn sie
zuweilen zeitlose Texte zwischen den Deckeln haben. Also?«
    »Nein. Ich verkaufe nicht. Leider. Ich brauche es noch.«
    »Sie können sich mit dem Geld hundert neue Exemplare kaufen. Da
steht dann die gleiche Geschichte drin. Je nach Übersetzer freilich mehr oder
weniger gelungen.«
    »Dann kaufen Sie sich doch von dem Geld ein neues.«
    »Es geht mir nicht um die Geschichte, sondern um das Buch.«
    »Was ist an dem Buch so wertvoll?«
    »Dass viele Sammler hinter ihm her sind. Es ist wie mit allem:
Sobald eine große Nachfrage herrscht, steigt der Wert. Schauen Sie mich an.
Würde der Zeitgeist auf einen dünnen Riesen mit einem Geierschnabel stehen,
dann könnte ich als Model Millionen verdienen.«
    »Aber es steht niemand auf einen dünnen Riesen mit Geierschnabel.«
    »Richtig. Noch nicht einmal meine Frau. Und sie hat mich trotzdem
geheiratet. Und wissen Sie auch, warum? Weil ihr Marktwert noch unter dem
meinen liegt. Fragen Sie nicht, wie sie ausschaut.«
    Valentina drückte das Buch an sich. Sie befürchtete, dass er es ihr
gleich entreißen würde, um damit fortzufliegen. Er hatte sicher Flügel unter
seinem Mantel.
    »Sie gehören dazu«, sagte sie unvermittelt.
    »Was meinen Sie damit?«
    »Zu allem. Zur Inszenierung. So wie Deutsch. Ihr habt alle euren
Teil zu spielen, um mich dorthin zu bringen, wo ihr mich haben wollt.«
    »Ich weiß nicht, wovon Sie reden. Ich will lediglich das Buch, sonst
nichts. Für das Dreifache.« Er streckte seine Hand aus und lächelte
angestrengt.
    »Richten Sie ihm aus, dass ich

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