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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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Ladenlokal führte. Valentina konnte nur
dorthin verschwunden sein. Bestimmt führte von dem Raum eine Tür in den Keller.
    Alberto musste hineingelangen, um seine Vermutung zu überprüfen.
Vielleicht lag Valentina bereits gefesselt in einer Ecke und wartete darauf,
von Geiernase und dem alten Wirrkopf eingekocht zu werden?
    »Vielleicht fehlt etwas Thymian«, sagte er und übte sich in einem
Lächeln.
    Herr K. löste seinen Schnabel vom Stapel und setzte die Bücher
auf dem Boden ab. »Oh, ein Experte. Das ist ja wunderbar. Sie sind doch
Italiener, nicht wahr?«
    »Hört man das? Ich bin in Duisburg aufgewachsen.«
    »Das ist egal, wo einer aufwächst. Es ist auch egal, wie einer
heißt. Das tut nichts zur Sache. Schauen Sie, ich heiße Deutsch und bin
ursprünglich aus Galizien; Herr K. kommt aus Prag und kocht die
italienischste Tomatensoße der Welt. Wo Essen und Sprache sich treffen, daher
stammt man, verstehen Sie?«
    Alberto nickte. Er mochte Pommes rot-weiß, seine Sprache war derb,
das passte. Aber es zog ihn auch zum Sugotopf. Wie verlockend. Nur die
meisterhafte Sprache der Verlockung, die hatte er nie gelernt.
    »Boccaccio passt. Finden Sie nicht?«, fragte Deutsch.
    »Kommen Sie, ich habe für uns gedeckt«, rief Herr K. aus dem
Nebenraum.
    Deutsch lächelte und lud mit einer Geste ein. Alberto versuchte,
tief durchzuatmen, und merkte, wie schwer es ihm fiel. Er war zu angespannt.
Dann folgte er dem süßlichen Duft des Südens und ging in den Nebenraum.
    Auf dem Tisch standen zwei Teller, sie waren aber zu dritt. Ehe
Alberto fragen konnte, wer denn nicht mitäße, stülpte ihm Herr K. von
hinten einen durchsichtigen Plastiksack über den Kopf und drückte ihn zu.
    Alberto japste mit aufgerissenem Maul nach Luft und sog die Folie
dadurch ans Gesicht. Er begann, um sich zu schlagen. Aber Herr K. war
flink. Alberto setzte nicht einen einzigen Treffer, dafür schlug ihn Deutsch
mit einem schweren Buch auf den Schädel. Einmal, zweimal, dreimal, Alberto
hörte irgendwann auf zu zählen. Durch die Folie sah er noch, wie der
Geierschnabel sich zu einer Gummischlange verwandelte, dann wurde ihm schwarz
vor Augen.
    * * *
    Sie hatten ihr den Weg gewiesen und waren dabei freundlich
geblieben. Valentina war einfach hinuntergestiegen, als sie ihr die Luke
geöffnet hatten. Sogar eine Taschenlampe hatte ihr Deutsch in die Hand
gedrückt. Ohne Batterie, mit Handdynamo.
    Sie drückte den Hebel der Taschenlampe in regelmäßigem Rhythmus. Der
Dynamo schnurrte. Es war das einzige Geräusch, das sie hören konnte.
    Sie hielt inne. Das Surren wurde leiser, das Licht der Lampe nahm im
Verhältnis zur Drehung des Dynamos schleichend ab. Gleich würde es still sein,
aber auch dunkel. Von ferne glaubte Valentina Musik zu vernehmen, die durch die
Finsternis zu ihr drang. Vielleicht vom Flohmarkt. So weit war sie noch nicht
gelaufen, sie musste sich noch unterhalb des alten Druckereigeländes befinden.
    Sie trat in ein Nichts und erschrak. Dann fand ihr Fuß wieder Halt.
Aber sie war aus der Balance geraten, und auch der nächste Schritt fiel erst
ins Nichts, ehe er wieder Boden ertastete. Sie drückte mehrere Male in rascher
Folge den Handdynamo und leuchtete auf den Boden. Sie stand auf einer Treppe, die
nach unten führte. Es mochten an die vierzig Stufen sein, an deren Ende wieder
das Dunkel wartete.
    Angst stieg in ihr auf. Die Angst vor der Erkenntnis. Gleich würde
sie am Ziel sein. Und dann? Stünde sie dann wirklich vor Il Cervello? Was
würde er sagen? Wie würde sie handeln?
    Schauder durchliefen ihren Körper, aber sie ging voran, setzte Fuß
vor Fuß und stellte sich ihrem Finale. Sie würde jeden Zug ausspielen. Das
Leben lief immer auf den Tod hinaus, das wusste jeder. Man war schachmatt von
Geburt an. Und dennoch war man verdammt zu spielen, solange man atmete.
    Sie war am Ende der Stufen angelangt. Ein kurzer Gang führte zu
einer langen Feuerleiter. Dort musste sie wieder nach oben klettern. Sie würde
beide Hände dazu benötigen, also nahm sie den Griff der Taschenlampe zwischen
die Zähne und stieg hoch.
    Die Stufen der Eisenleiter waren nass. Von irgendwoher zerfraß
Wasser den Stahl. Sie spürte beim Fassen der Sprossen den abblätternden Rost an
den Handflächen und ahnte bereits das Unheil. Was dem Griff der Hände noch
standhielt, krümmte sich nun unter ihren Füßen und knickte ein. Sie baumelte in
vier Metern Höhe. Man würde nicht gleich sterben, wenn man aus dieser Höhe
fiele, aber je

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