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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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bereit bin. Wofür auch immer. Aber
ich will ihn persönlich treffen.«
    »Das geht nicht. Sie können keine Forderungen stellen. Er macht die
Regeln und Gesetze. Er manipuliert sogar den Markt. Das Buch ist nur wertvoll,
weil er es wertvoll macht. Wenn er dem Buch den Rücken kehrt, ist es nur noch
ein Haufen Altpapier. Alles ist virtuell. Wie an der Börse. Sie sind nichts
wert, wenn er es will. Aber eine Königin, wenn ihm danach ist. Also vergessen
Sie es, Forderungen zu stellen. Gehorchen Sie einfach, und es wird Ihnen an
nichts mangeln.«
    Valentina schlug ihm das Buch vor den nicht vorhandenen Bauch.
»Hier, nehmen Sie es und wischen Sie sich den Arsch damit. Es ist ja dick
genug, dass es für alle ehrenwerten Mitglieder reichen wird.«
    Das Buch traf den Solarplexus des Geierschnabels. Er stöhnte und
sackte für einen Moment in sich zusammen. Da er das Buch nicht nahm, fiel es zu
Boden. Die Bindung riss, die Seiten fledderten aus den Deckeln. Ein vergilbter
Stich mit den drei Musketieren, die ihre Klingen zum Schwur gen Himmel
kreuzten, kam obenauf zu liegen. Beide sahen auf das Bild, dann wieder ins
Gesicht des anderen.
    Er versuchte sich noch einmal an einem Lächeln und verschwand dann
im Buchladen.
    Valentina hatte den Impuls, ihm nachzugehen. Aber weder Deutsch noch
er würden ein Wort mehr als notwendig sagen. Sie bückte sich und schob die
Seiten zusammen. Dabei merkte sie, dass nur der Buchdeckel deutsch war. Der
Inhalt war Italienisch.
    Sie hatte lange kein Italienisch mehr gelesen. Zuletzt mit Don
Bernardo. Er hatte mit ihr die »Göttliche Komödie« im Original studiert. Sie
wünschte, er wäre bei ihr und würde auch »Die drei Musketiere« mit ihr
gemeinsam lesen. Sie wollte wieder klein sein. Ein Mädchen, das einfach nur
lernen und spielen durfte. Geschützt, geborgen, den Mantel einer Art Familie um
sich.
    * * *
    Parizek war stolz auf seine Spitzel. Er hatte ein beachtliches
Heer an kleinen Ganoven, die ihm gegen Protektion den einen oder anderen Dienst
erwiesen. Nur selten ließ er einen von ihnen hochgehen. Aber manchmal musste er
es eben tun, damit die anderen nicht übermütig wurden. Zuckerbrot und Peitsche.
Was anderes verstanden sie nicht. Überhaupt verstanden alle nur dieses Prinzip.
Dass von Psychologen und Pädagogen alles verwässert wurde, empfand Parizek als
absoluten Blödsinn. Es gab nur Schwarz oder Weiß, Ja oder Nein, Leben oder Tod.
Alles andere war Geschwätz, mit dem man am zivilisationsdebilen Menschen
verdienen konnte.
    In der Straßenbahn hatte Werner sie gesehen. Er hatte sie sofort
erkannt. Trotz ihrer Verkleidung. Ihm machte man nichts vor. Er sah das Wesen
der Menschen. Sie war in der Prinz-Eugen-Straße zugestiegen, und er hatte
Parizek angerufen und ihn gefragt, ob er an ihr dranbleiben sollte.
    Werner, »die Spitzmaus«, wie ihn alle nannten. Wer ihn sah, fragte
nicht lange, wieso er so hieß. Die Haare seines spärlichen Schnäuzers waren
lang und standen weit ab, die großen Ohren schienen angelegt, die spitze Nase
blies den Rauch einer Zigarette in den Duft von Pizza und Focaccia.
    Als er Parizek auf sich zukommen sah, verließ er seinen Standort und
ging langsam an eine Würstelbude, um sich eine Frankfurter und ein Bier zu
bestellen. Parizek rückte nach. Er nahm ebenfalls eine Frankfurter, verzichtete
aber auf das Bier: Es würde ihn müde machen. Er entschied sich für einen
Spritzer. Alkoholfrei ging nicht. Nicht bei Werner. Parizek wusste, dass er mit
ihm nach der Wurst auch noch zwei Schnäpse kippen musste. Und das, obwohl er
keine Zeit hatte. Nervös orderte er noch zwei Extrascheiben Brot. Irgendetwas
musste den Alkohol aufsaugen, er brauchte einen klaren Kopf. Einige Linien Koks
hatte er noch dabei, falls alle Stricke reißen sollten.
    »Tut mir leid, das mit Amre«, sagte Parizek und tauchte seine Frankfurter
in den Senf. Werner nickte und nahm einen Schluck aus der Flasche. Parizek warf
ihm einen kalten Blick zu, der saß. Werner zuckte zusammen und leerte die
Flasche mit dem dritten Schluck.
    »Ich wollte es nur gesagt haben.« Parizek bestellte für Werner per
Handzeichen noch ein zweites Bier. Es war wichtig, den Status sicherzustellen.
Der Tod von Amre konnte unter den Spitzeln Unruhe auslösen. Wenn sie sich nicht
sicher fühlten, machten sie womöglich Dummheiten. Und sicher fühlten sie sich
immer vor der Seite, die sie am meisten einschüchterte. Paradox, aber so war
es.
    Parizek hatte die Frankfurter viel zu hastig gegessen. Er hatte

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