Lost Place Vienna (German Edition)
Sonderkommission und benutzte Valentina, um von
der eigentlichen Tiefe des Falles abzulenken? Musste sie als Bauernopfer
herhalten? Und wenn es am Ende doch nur ein Psychopath war, der auf demselben
Weg wie Burak an die Daten der Frauen gekommen war? Wenn ihn das Profil solcher
Frauen aufgeilte? Alles war möglich.
Valentina zog den USB -Stick aus dem
Laptop und klappte ihn zu.
Morgen würde sie Bauer einen Bericht vorlegen müssen. Sie wusste
noch nicht, was sie ihm erzählen würde. Vielleicht würde sie die Namen der
Frauen nennen, die Verbindung zur Mafia würde sie aber verschweigen.
* * *
Es war alles gesagt. Die Leute vom Innenministerium verließen
den Raum. Zirner blickte auf den Boden, als ob dort der Sinn des Lebens zu
finden wäre, Bauer klammerte sich an eine Kladde, und Valentina versuchte, ihre
Gedanken zu ordnen.
Der Fall war im Fach der Inneren Sicherheit gelandet. Bei der ersten
Leiche hätte es sich um einen dummen Zufall handeln können, bei der zweiten war
man sich bereits sicher. Die Kollegen waren mindestens so schnell wie Burak
gewesen. Nur waren die Informationen eben nicht so schnell zu Valentina
geflossen. Man hatte sie zurückgehalten. Sie war nur eine Inspektorin, die sich
in der Sonderheit gegen Gewaltverbrechen zu bewähren hatte, obendrein eine
Frau. Der Fall ging weit über ihre Kompetenzen hinaus. Und dass nun noch eine
dritte Leiche samt vorwitziger Pressekonferenz der ermittelnden Inspektorin
hinzugekommen war, amüsierte die Verantwortlichen in den grauen Anzügen
überhaupt nicht.
»Ich hoffe, Sie werden verstehen, dass Sie von dem Fall abgezogen
werden«, brach Bauer das Schweigen und sah Valentina eindringlich an.
»Ich war nie an dem Fall dran!«, explodierte Valentina, und sie
wusste in dem Moment, da sie ihren Emotionen nachgab, dass es ein Fehler war.
Aber es war zu spät. Sie kochte vor Wut, das sizilianische Temperament war
nicht mehr zu bremsen. »Eine Riesensauerei ist das! Da lässt man mich blind
herumstochern, kommt mir mit den billigsten Ausreden, als wäre ich zu blöd, um
geradeaus zu laufen, gibt mir nicht die geringste Chance, den Fall zu lösen,
lässt mich eiskalt in eine Pressekonferenz rennen, und nun entzieht man mir den
Fall! Geht’s noch?«
»Dass Sie aus der Pressekonferenz eine Show gemacht haben,
unterliegt einzig und allein Ihrer Verantwortung«, erwiderte Bauer scharf. »Wir
waren von einer sachlichen Darstellung des momentanen Ermittlungsstands
ausgegangen und nicht davon, dass Sie sich in Schale werfen, als seien Sie die
Enkelin von Sophia Loren. Auch war nicht geplant, dass Sie die Fotos der
Ermordeten in die Kamera halten. Sie haben gehandelt, Sie haben auch die
Konsequenzen zu tragen!«
»Ich hätte gerne gehandelt, war aber aufgrund Ihrer feigen
Zurückhaltung handlungsunfähig. Deswegen bin ich in die Offensive gegangen«,
erklärte Valentina, noch immer hitzig. »Sag doch auch etwas!«
Aber Zirner suchte noch immer die Zukunft aus den grauen Sprenkeln
des Linoleums zu deuten. Er blickte zu Valentina, und seine Augen verrieten,
dass er schweigen würde. Er wusste wohl, wann sich ein Ritt gegen Windmühlen
nicht lohnte.
»Geh endlich in Pension!«, schrie Valentina ihn an, und es tat ihr
im selben Augenblick leid.
»Brauchen Sie Urlaub?«, fragte Bauer scheinheilig. Er glaubte wohl,
so die Hitze aus dem Gefecht nehmen zu können.
»Ich hatte die ganze Zeit Urlaub. Konnte ja nicht ermitteln ohne
Fakten.« Valentina dachte nicht daran, das Feuer kleiner zu köcheln. Wo sie
schon mal dabei war, konnte sie auch aufs Ganze gehen. Sie streckte die Hand
nach der Kladde aus, an der sich Bauer festhielt.
»Tut mir leid, Sie sind aus dem Fall draußen. Wir alle sind aus dem
Fall draußen, haben Sie das nicht verstanden? Und wenn Sie mein Urlaubsangebot
nicht annehmen, sind Sie ganz draußen. Dann können Sie sich Ihr Geld mit Ihrer
lauten Musik verdienen.«
Das saß. Valentina stand kurz davor, ihren Dienstausweis zu zücken
und ihn Bauer vor die Füße zu schleudern. Dann hätte Zirner wenigstens etwas,
worauf er schauen konnte. Aber etwas ließ sie innehalten. Bauers Polemik über
ihre Musik schien ihr zu vorbereitet. Er hatte sie provozieren wollen und
wartete nur darauf, dass sie aufgab. Sie atmete tief in den Bauch und schloss
für einen Moment die Augen. Vor sich sah sie Don Bernardo. Er erinnerte in
seiner Gelassenheit an die Heiligenbilder des Don Bosco. Diese Gelassenheit
übertrug sich auf Valentina, und sie lächelte
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