Lost Place Vienna (German Edition)
gibt’s, auch bei Hunden. Jetzt ist er tot, der Ferdl. Ich
frag mich nur, warum man die ganze Zeit den Müll trennt, wenn am End doch alles
auf ein Haufen gworfen wird. Können Sie mir das sagen?«
Er trottete an Valentina vorbei und zog sich schweren Schritts am
Geländer die Stiege empor. Valentina blickte ihm kurz nach und stopfte die
Prospekte in die Briefkastenschlitze, bis sie hörte, dass sich im ersten Stock
eine Wohnungstür öffnete und wieder ins Schloss fiel.
* * *
In Parizek tobte ein Gewitter. Wie konnte man nur so dämlich
sein und sie entwischen lassen? Hätte er bloß einen von seinen eigenen Leuten
auf sie angesetzt. Aber nein, die Mafia hatte ja Profis. Dass er nicht lachte. Olivenbauern
und Ziegenhirten, das waren die Profis der Mafia. Wenn es darum ging, jemanden
abzuschlachten, konnte man sie vielleicht gebrauchen, aber mit einer einfachen
Beschattung waren sie überfordert. Kein Wunder, dass ihnen die Russen und die
Chinesen allmählich den Rang abliefen.
Er hätte Alberto die Faust direkt auf die fein geschnittene Nase
knallen können, so war er in Rage. Aber er schluckte seine Wut hinunter. Er
wusste, dass es nichts brachte, dem Neffen seines Geschäftspartners den Garaus
zu machen. Allein dass sie sich trafen, widersprach den Gepflogenheiten.
Obendrein noch im Hinterzimmer dieser schäbigen Pizzeria in Floridsdorf.
Parizek hasste diese Gegenden mit dem überhöhten Ausländeranteil.
»Migrationshintergrund«, wenn er das Wort schon hörte, könnte er kotzen. Das
klang nach allem, nur nicht nach dem, was es war: Gesindel. Und vor ihm saß
auch so einer von dem Pack. Zwar waren die Italiener hier längst in der
Minderheit, aber das machte sie noch lange nicht zu feineren Leuten. Sie hatten
schlichtweg keine Manieren.
Zu gerne hätte Parizek Albertos Paten gesagt, dass sein Neffe
unglücklich gestolpert sei, um dann in der Donau zu ersaufen. Aber was würde
das bringen? Die Situation würde es auch nicht ändern. Angeekelt sah Parizek
Alberto dabei zu, wie er in ein Stück Margherita biss. Parizek hoffte nur, dass
Alberto nun nicht begann, mit vollem Mund zu reden, sonst hätte er wirklich die
Faust im Gesicht.
Alberto sagte nichts. Er war froh, dass er essen konnte, damit
er gar nicht erst in die Verlegenheit kam, etwas sagen zu müssen. Er würde
langsam kauen und dann direkt nachschieben, bis die Pizza aufgegessen war. Es
war anstrengend für ihn, so langsam zu essen; sonst schlang er im Stehen oder
Gehen, das war er von seinem Job so gewohnt. Wenn er mal beim Essen saß,
bedeutete das selten etwas Gutes, denn dann aß er mit jemandem zusammen. Und
dieser Jemand war nie ein Freund.
Alberto hatte keine Freunde. Es gab Freunde der Familie, aber keine
persönlichen. Alberto musste in der Lage sein, jederzeit jeden umzulegen. Das
garantierte ihm einen gewissen Wohlstand und das eigene Leben.
Die Pizza schmeckte nach gar nichts. Noch nicht einmal versalzen war
sie. Aber Alberto wollte sich darüber nicht auslassen. Er würde einfach
weiterkauen und warten, was Parizek zu sagen hatte. Er wusste selbst, dass er
gepatzt hatte, das brauchte ihm so ein korruptes Bullenschwein nicht unter die
Nase zu reiben. Aber er würde es über sich ergehen lassen und darauf hoffen,
dass er irgendwann den Auftrag bekam, Parizek zu liquidieren. So wie der die
Kohle, die er von der Familie bekam, zur Schau stellte, war es nur eine Frage
der Zeit, bis er untragbar wurde.
»Du weißt, dass ich es eigentlich nach oben melden müsste«, begann
Parizek.
Alberto mampfte und hörte zu.
»Aber ich habe noch nichts gesagt. Aus Rücksicht auf dich. Ich
hoffe, du weißt meine Zurückhaltung zu schätzen und findest unser Objekt so
schnell wie möglich wieder.«
Alberto verschluckte sich fast. Wie konnte einer so geschwollen
daherreden? Parizek musste die Hosen gestrichen voll haben, wenn er sich jetzt
auch noch mit ihm verschwägern wollte. War auch keine leichte Aufgabe, für zwei
Seiten zu spielen. Dafür kassierte Parizek aber auch zweimal. Am Anfang
rechnete man nicht damit, dass man irgendwann in die Schnittmenge der
Interessen geraten könnte, da sah so ein Typ wie Parizek nur das dicke Geld und
die geilen Weiber, die er damit beeindrucken konnte. Aber solches Geld war
schnell verdampft, und dann kam die nackte Angst. Und Parizek stand sie ins
Gesicht geschrieben. Alberto wusste, wie Angst aussah, er hatte sie an die
hundertmal bei seinen Opfern gesehen, wenn sie wussten, dass er der Gehilfe des
Todes war.
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