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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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dringend aufs Klo«, sagte Valentina, um endlich aus
dem Stiegenhaus wegzukommen.
    »Oh, entschuldige. Ich laber dich hier zu, und du musst aufs
Häuserl. Schrecklich. Ich weiß auch nicht, warum ich immer so viel reden muss.
Dabei rede ich gar nicht so viel. Einerseits. Ich rede nur viel, wenn ich
jemanden neu kennenlerne, um mich damit aus der Unsicherheit zu befreien. Der
Aufzug ist gerade defekt. Ich wohne im vierten Stock. Aber du bist ja
sportlich. Ich finde es furchtbar, täglich die Treppen zu steigen. Mein Vater
macht schon Druck bei der Hausverwaltung. Aber auf der anderen Seite ist es
auch wieder ganz gut für die Beinmuskulatur. Ich glaube, Adler fährt auf
stramme Beine ab.« Nicola kicherte, dann verstummte sie allmählich, weil ihr
das Treppensteigen die Puste nahm.
    Valentina stieg hinterher und überlegte, ob es eine gute Idee war,
bei Nicola einzuziehen.
    »Darf man hier rauchen?«, fragte Valentina, nachdem sie die
Führung durch die Fünf-Zimmer-Wohnung überstanden hatte.
    Nicola zuckte mit den Schultern. »Hauptsache, du bleibst. Ich fühle
mich nämlich ziemlich allein in dieser großen Wohnung. Und die momentane
Projektarbeit macht mir ein bisschen Panik. Diese ständigen Schatzsuchen bei
Dunkelheit und dann die Profilerstellung. Was einem da für Abgründe begegnen …
Und wenn ich dann in diese Wohnung hier komme, da kriege ich Angst.
Mittlerweile glaube ich, hinter jeder Flügeltür lauert ein Meuchelmörder.«
    »Seit wann suchst du denn einen Mitbewohner? Die Studenten müssten
sich doch die Finger lecken nach so einer Wohnung. Oder verlangst du so viel?«,
fragte Valentina.
    »Die Miete ist mir egal. Mein Vater hat die Wohnung gekauft. Ich
sage nur immer, dass sie so hoch ist, damit keiner mit einzieht.«
    Valentina blickte Nicola verwundert an.
    »Die Typen müsstest du mal sehen. Alles Psychopathen. Da habe ich
lieber leere Zimmer und stelle mir die Irren hinter der Tür vor, als dass
tatsächlich welche drin hausen.« Nicola setzte einen hysterischen Lacher
hinterher. »Du hältst mich für ziemlich durchgeknallt, oder? Nimmst du die
Zimmer? Du kannst zwei haben. Bitte.«
    Sie sah Valentina flehend an und machte dabei große Kinderaugen, mit
denen man bei Männern mit Beschützerinstinkt alles erreichen konnte.
    »Aber ich zahle Miete«, sagte Valentina.
    Nicola nickte und strahlte überglücklich. Dann fiel sie Valentina um
den Hals. »Danke.«
    Ein Handy piepte.
    »Oh, das ist mein Alarm. Ich muss noch mal los, in die Bibliothek«,
sagte Nicola. »Mein Vater wollte ja gleich alle Bücher kaufen, damit ich sie
hier zu Hause habe. Aber wenn ich diese Wälzer hier drinhätte, mit all den
Fallbeispielen, ich würde durchdrehen, verstehst du das?«
    »Klar. Verstehe ich absolut«, sagte Valentina.
    »Du verstehst mich. Meine Mutter dagegen –«
    »Jetzt reicht’s!«, fuhr Valentina ihr ins Wort. »Ich komme mir bald
vor wie in einer amerikanischen Soap. Jetzt auch noch die Mutter. Die hat doch
noch Zeit bis später, oder?«
    Nicola blickte entgeistert in Valentina ernstes Gesicht.
    »Du hast recht«, murmelte sie kleinlaut. »Entschuldige bitte. Ich
hoffe, du bist mir deswegen nicht böse. Ich plappere einfach zu viel, wenn ich
jemanden mag.«
    Der Alarm piepte erneut. Nicola schrak hoch, als hätte sie das erste
Piepen bereits vergessen. »Ich muss. Die Wohnungsschlüssel hängen am Brett
neben der Tür. Ich komme spät. Fühl dich hier, als wärst du alleine, okay? Das
sind wir ja sowieso immer.« Mit zwei französischen Küsschen verabschiedete sie
sich von Valentina, schnappte ihren knappen Herbstmantel und verließ die
Wohnung.
    Valentina ließ sich auf einem Leinensofa nieder, das mit
bestickten Decken und Kissen aus feinem Kaschmir bevölkert war, und blickte
sich in dem Salon um. Es stand nicht viel drin, aber alles wirkte wie aus einer
dieser Zeitschriften, die stilbewusste Frauen abonniert hatten. Sie dachte an
die drei toten Frauen. Ob sie wohl auch in so einer Katalogwelt gewohnt hatten?
    Es passte nicht zusammen. Ihr kam es vor, als hätte man nur darauf
gewartet, sie abzuservieren, dass es gar nicht um die drei Frauen ging, sondern
um sie selbst. Aber durfte sie sich so wichtig nehmen?
    Alle Frauen hatten die drei Punkte hinter dem Ohr tätowiert. Warum
hatte man ihr selbst dieses Tattoo schon als kleines Mädchen verpasst? Ihr
wurde übel, wenn sie ernsthaft darüber nachdachte. Natürlich ahnte sie, warum
sie das Zeichen der Familie trug. Sie war eine Sanzillo, da

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