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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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das Dunkel
des Hofes. Valentina war fort. Von der anderen Seite der Mauer hörte er sich
schleunig entfernende Schritte.
    Alberto sprintete durch den Hof, nahm mit einem Satz das Sims, auf
dem zuvor Valentina gestanden war, mit dem nächsten sprang er an die Mauer;
seine Hände griffen zu und zogen ihn hinüber. Leise wie eine Katze landete er
auf der anderen Seite. Er hörte eine Tür, die geöffnet wurde und wieder
zuschnappte. Alberto hetzte hinüber. Als er die Tür erreichte, öffnete er sie
vorsichtig und spähte hinaus. Etwa fünfhundert Meter entfernt stieg eine
Gestalt in ein Taxi und fuhr davon.
    Alberto lief auf die Straße und winkte sich ebenfalls ein Taxi
herbei. Rasch sprang er hinein: »Folgen Sie dem Taxi dort vorne.«
    »Auf den Satz wart ich schon ein Leben lang«, lächelte der Taxifahrer
müde.
    »Keine Sprüche. Machen Sie schon. Da vorne sitzt meine Freundin
drin. Wir haben uns gestritten. Und wenn ich die Sache nicht gleich wieder ins
Lot bringe, kann ich sie abhaken.«
    »Beziehungsprobleme, ich verstehe. Die haben wir gleich eingeholt.«
    »Nein, halten Sie Abstand. Sie soll nicht wissen, dass ich ihr
hinterherlaufe. Erst einmal soll sie schmoren, verstehen Sie?«
    Der Taxifahrer lachte. »Das mach ich mit meiner Alten auch immer,
aber der würd ich nie hinterherfahren.«
    * * *
    Valentina wartete einen Augenblick, dann stieg sie die Stufen
des Stiegenhauses hinunter, um sich zu vergewissern, dass ihr Verfolger ihr auf
den Leim gegangen war. Sie schlich durch den Flur zur Eingangstür, öffnete sie
und lugte auf die Straße. Sie hatte ihn abgeschüttelt. Aber sie war sich
sicher, dass noch andere hinter ihr lauerten. Also war es besser, schnell von
hier zu verschwinden.
    Sie ging auf die Straße und winkte sich ein Taxi heran. Um diese
Uhrzeit wimmelte es in Wien davon. Vermutlich war es tagsüber nicht anders,
aber da jetzt kaum andere Autos auf den Straßen fuhren, fiel es Valentina
besonders auf.
    Der Wagen hielt, und Valentina stieg hinten ein.
    »Porzellangasse«, wies sie den Fahrer an. Der nickte und fuhr los.
    In der Kurve, wo die Linke Wienzeile auf den Gürtel führte, stieg
der Fahrer unvermittelt auf die Bremsen. Vor ihnen auf der Fahrbahn stand ein
Taxi, unter dessen Kühlerhaube Qualm hervorquoll. Während der Taxler aufgeregt
in sein Handy sprach, versperrte ein Mann winkend die Fahrbahn. Er kam auf Valentinas
Wagen zugelaufen und öffnete die Beifahrertür.
    »Entschuldigung, in welche Richtung fahren Sie?«, fragte er atemlos.
    »Porzellangasse. Aber ich bin schon besetzt.« Der Taxifahrer deutete
mit dem Daumen in Richtung Rückbank.
    »Ist schon gut. Wenn Sie dieselbe Richtung haben, können Sie gern
dazusteigen. Platz ist ja noch«, sagte Valentina.
    »Danke.« Der Mann sah Valentina an, als würde er einen Geist
erblicken. Er schien sehr verwirrt.
    Er stieg ein, das Taxi fuhr weiter. Valentina sah aus dem Fenster
und hoffte, dass der Mann kein Gespräch begann. Sie hatte keine Lust auf fremde
Schicksale. Und um diese Uhrzeit wimmelte es nur so von Leuten, die einem ihre
Lebensgeschichte erzählen wollten. Sie hatte genug mit ihrer eigenen Vita zu
tun. Eine verschwommene Vergangenheit schien sie einzuholen. Alles deutete auf
Sizilien: der Pizzabote, das Lied von Celentano, die Madonna.
    Sie erreichten die Porzellangasse.
    »Ich übernehme das«, sagte der fremde Fahrgast. Er schien noch immer
nicht richtig bei sich zu sein. So sahen vielleicht getriebene Ehemänner aus,
ehe sie ihre Familie erschossen, dachte Valentina und nickte dem Fremden
lächelnd zu.
    Sie stieg aus und kramte in ihrem Rucksack nach dem Hausschlüssel.
Das Taxi fuhr mit dem fremden Schicksal weiter.
    * * *
    Alberto konnte es noch immer nicht fassen. Er hatte geglaubt, er
habe Valentina wegen des defekten Kühlers des Taxis aus den Augen verloren, und
da kam sie zu ihm wie von der Madonna gesandt und führte ihn zu ihrer Wohnung.
Er würde fünf Kerzen im Stephansdom für den heiligen Bernardo aufstellen und
mindestens zwanzig Ave-Maria beten. Mit einem Mal war es für ihn kein Auftrag
mehr, Valentina zu bewachen, sondern eine Mission. Er würde sie beschützen,
solange er es vermochte.
    »Fahren Sie hier rechts ran«, befahl Alberto dem Taxifahrer, zahlte
und ging durch den Nebel zurück in Richtung Porzellangasse. Er würde dort nach
einer kleinen Pension Ausschau halten.
    * * *
    Valentina öffnete leise die Wohnungstür, um Nicola nicht zu
wecken. Da sie ihr neues Zimmer noch nicht bezogen

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