Lost Place Vienna (German Edition)
ihnen um. Sie
haben ihren Wert. Wie können Sie sie positiv nutzen?«
»Ich weiß nicht.« Ihre Stimme zitterte. »Ich will einfach nur
geliebt werden. Einfach so, ohne dass ich etwas leisten muss. Aber Liebe gibt
es nur gegen Leistung. Stefan, ja, der hat mich wohl geliebt, ohne dass ich
etwas leisten musste. Aber ich habe ihn nicht geliebt, ich hätte ihn nie lieben
können. Er war abstoßend, ein Ekel, aber ich fühle mich schuldig an seinem Tod.
Er wollte auch nur geliebt werden, einfach so, und ich habe ihm diese Liebe
versagt. Bin ich schuldig an seinem Tod?«
»Die Frage der Schuld ist eine katholische Frage. Wir gehen davon
aus, dass jeder Mensch die Möglichkeit hat, sich frei zu entscheiden.«
In der Wohnungstür drehte sich ein Schlüssel. Nicola schreckte vom
Sofa hoch, auch Adler drehte sich nach dem Geräusch um.
»Hallo, ich bin’s. Störe ich?« Valentina schob den Kopf durch die
halb offene Flügeltür des Salons.
»Nein, überhaupt nicht«, antwortete Adler. »Wir sind gerade fertig.«
»Hallo, Valentina. Möchtest du auch einen Tee?« Nicolas Stimme war
wieder drei Töne höher als im entspannten Zustand.
»Gerne. Hunger habe ich auch. Habt ihr schon gegessen?«
»Es ist nichts im Haus, tut mir leid. Wegen der Geschichte mit
Stefan hab ich heute gar nicht ans Einkaufen gedacht.«
»Wir könnten essen gehen, ich lade Sie ein«, schlug Adler vor. »Gibt
es hier in der Nähe etwas Gutes?«
»Einen schlechten Chinesen und einen teuren Italiener«, antwortete
Nicola.
»Dann ziehe ich den teuren Italiener vor. Va
bene? «, fragte Adler.
Valentina nickte mit großen Hungeraugen, und Nicola war ganz froh,
einen kurzzeitigen Ortswechsel vornehmen zu können und dennoch in Adlers Nähe
zu sein.
Bis zur Trattoria »La Bottega« waren es nur etwa zweihundert
Meter. Valentina, Adler und Nicola schlenderten gemächlich über das Trottoir.
»Und? Haben Sie schon mit dem Geocaching begonnen?«, fragte Adler
interessiert. »Ich warne Sie, es kann zur Sucht werden.«
»So richtig bin ich noch nicht dazu gekommen. Zwar bin ich im
Urlaub, aber die toten Frauen kann ich nicht so leicht vergessen«, erwiderte
Valentina.
»Wie könnte man auch. Das Profil des Täters scheint erst einmal
offensichtlich, finden Sie nicht?«
»Sie meinen: schlimme Kindheit, dominante Mutter?«
»Warum nicht?«
»Ja, warum nicht? Das Leben könnte auch einfach sein«, sagte
Valentina, und leichter Spott umspielte ihren Mund.
»Haben Sie denn die Namen der Ermordeten mittlerweile ermittelt?«
»Ja, das ging dann doch schneller als erwartet.«
»Und? Was ergeben die Profile der Opfer?«
»Toughe, erfolgreiche, gut aussehende Frauen.«
Sie standen vor dem Eingang der Trattoria. Nicolas Handy klingelte.
»Bestimmt mein Vater. Geht ruhig schon mal rein, ich komme gleich
nach.«
Valentina und Adler betraten die Trattoria, Nicola nahm den Anruf
entgegen.
»Hallo?«
Es antwortete niemand. Dafür packte sie jemand am Arm und zerrte
sie, noch ehe sie schreien konnte, auf den Rücksitz eines Wagens. Das Auto fuhr
los; jetzt wollte sie schreien, aber eine Hand presste ihr ein Taschentuch über
Mund und Nase. Sie inhalierte etwas Süßlich-Scharfes, dann wurde es schwarz um
sie.
* * *
Es war ein sonderbarer Befehl, aber die SMS war direkt von Il Cervello gekommen. Die beiden Helfer, die er sich dafür
besorgt hatte, würden dichthalten. Sie waren ihm von Giorgio empfohlen worden.
Wer für Giorgio arbeitete, war sauber oder schnell erledigt.
Die Blondine, die er gerade mit einer Dosis Chloroform betäubt
hatte, sah gut aus. Und sie schien Kohle zu haben. Wenigstens zeugten ihre
Klamotten von teurem Geschmack. Auch ihr Parfüm roch gut. Jedenfalls besser als
der Lappen mit dem getränkten Chloroform. Für einen Moment stiegen Phantasien
in ihm auf, was er mit dem Mädchen gerne anstellen würde, dann befahl er dem
Fahrer: »Ras nicht so. Ich hab keine Lust auf Bullen.«
Der Fahrer schaltete einen Gang zurück und ging es ruhiger an.
Alberto war zufrieden. Noch eine Auseinandersetzung mit der Polizei würde er
heute nicht mehr verkraften.
Es wurmte ihn, dass er für diese Sache von Valentina abgezogen
wurde. Vor allem der Typ in dem feinen Anzug, mit dem sie in der Trattoria
verschwunden war, war ihm nicht geheuer. Er erinnerte sich daran, dass er den
Kerl bereits in der Thalia-Buchhandlung mit Valentina zusammen gesehen hatte.
Wenn es ein gehobener Bulle war, der nicht auf Parizeks Lohnzettel stand,
könnte er unnötige
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