Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
Vom Netzwerk:
wenigen Medien, die sich noch getrauen, Stellung zur Situation in Italien
zu nehmen.«
    »Interessant. Ich meinte aber das Hirn der Cosa Nostra. Man nennt
ihn auch Il Cervello.«
    »Deswegen gibt es vermutlich auch den Comic. Ich selbst glaube nicht
an so ein Überhirn. Das ist ein Mythos, den sich die Mafia selbst gebastelt
hat, um gefährlich und attraktiv zu erscheinen. Vor allem in einem Land, in dem
die Politiker wahre Dummköpfe zu sein scheinen, stellt ein Superhirn aufseiten
der Mafia einen angenehmen Kontrast dar. Reine Propaganda, um sich von den
Gimpeln des Staatsapparats abzusetzen und sich den Hauch von Faszination zu
verleihen. Die Mafia ist ein Metzgerhaufen, ein diabolisches Superhirn wird man
dort vergeblich suchen.«
    Valentina kaute die Pasta und schwieg. Adler konnte durchaus recht
haben. Il Cervello konnte ebenso gut eine Erfindung sein, um der Cosa
Nostra den Glanz alter Tage wiederzuverleihen. Durch Bücher und Filme wie
»Gomorrha« war der Lack der Mario-Puzo-Geschichten längst abgebröckelt; und das
Unternehmen musste, wie jedes andere auch, darauf achten, in seiner
Außendarstellung Profil zu zeigen.
    Adler aß ebenfalls schweigend. Dabei blickte er auf den Fernseher,
der in der Ecke des Speisesaals hing, und seine Augen weiteten sich. Er stupste
Valentina an und deutete mit der Gabel, an der noch einige Spaghetti baumelten,
in Richtung Fernseher.
    Valentina drehte sich um. Der Ton war leise gestellt und wurde von
Tarantellaklängen aus zwei Lautsprechern, die zwischen Asparagus und Gummibaum
angebracht waren, übertönt. Aber die Bilder sprachen für sich. Der Bildschirm
zeigte ein Foto von ihr selbst. Dann sah man Parizek, der in ein Mikrofon
sprach. Kurz darauf erschienen Fotos von Zirner und Amre. Dann wieder zwei
Fotos von ihr.
    Valentina wusste, was das hieß. Bauer und Parizek waren an die
Öffentlichkeit getreten, um ihr die Morde an Zirner und Amre anzuhängen. Die
Daumenschraube wurde enger gezogen. Bislang hatte sie sich nur vor Parizeks
Leuten und dem Unbekannten verstecken müssen, der sich als Il Cervello
ausgab, jetzt hatte sie auch noch die Öffentlichkeit zu fürchten. Sie musste
abtauchen, und zwar sofort. Bei Nicola war sie nicht mehr sicher, und auch
Adler, dessen Blick sie in ihrem Genick spürte, war plötzlich eine Gefahr
geworden.
    Sie drehte sich zu ihm um. »Ich habe nichts mit den beiden Morden zu
tun«, sagte sie, und ihre Stimme klang erstaunlich ruhig. »Essen Sie einfach
weiter und stören Sie sich nicht daran, wenn ich jetzt gehe. Einverstanden? Sie
täten mir einen großen Gefallen damit.«
    Adler antwortete nichts. Er sah sie an, als würde er die Bilder im
Fernsehen erst einmal mit der realen Situation am Tisch in Zusammenhang bringen
müssen.
    Valentina nahm ihre Jacke und verließ die Trattoria. Sie blickte
sich noch einmal nach Adler um, der ihr verstört hinterhersah.
    Draußen verfiel sie in einen schnelleren Schritt. Sie musste kurz in
Nicolas Wohnung zurück, um sich Zirners Rucksack und Verpflegung für die
nächsten Tage zu besorgen. Nicola – die hatte sie völlig vergessen. Wo war sie
abgeblieben? Vielleicht war sie nach Hause zurückgegangen, weil sie sich nicht
in der Verfassung fühlte, auszugehen. Bestimmt hatte sie das Telefonat aus der
Balance geworfen, und sie wollte für sich sein. Valentina hoffte, dass Nicola
keine Nachrichten gesehen hatte. Sie hatte keine Lust, sich ihr zu erklären.

SECHS
    Eilig bahnte sie sich den Weg durch eine Gruppe von
Kindern, die ihr in Zweierreihen händchenhaltend, von einer Kindergärtnerin
angeführt, auf dem Gehsteig entgegenliefen. Sie hielten bunte Ballons an
Schnüren, die mit Gas gefüllt waren. Zwei Kinder erschraken, als Valentina sie
zur Seite schubste, und ließen die Ballons gen Himmel fahren. Valentina blickte
den beiden Farbpunkten für einen Moment nach und fragte sich, wo sie wohl
landen würden.
    Sie schloss die schwere Haustür auf. Vor den Briefkästen begegnete
ihr der trauernde Hundewitwer. Valentina wollte zügig an ihm vorbei, um in kein
Gespräch verwickelt zu werden, da trat er ihr in den Weg.
    »Ich schaue viel Fernsehen, den ganzen Tag. Seit dem Tod von meinem
Ferdl mach ich überhaupt nichts anderes mehr.« Er neigte den Kopf und sah
Valentina lauernd an.
    »Sie sind mir sympathisch«, sagte er. »Ich werde Sie nicht verraten.
Wissen Sie, meine Nachbarin, die Frau Dorfer, die hat vor fünfundzwanzig Jahren
ihren Mann vergiftet. Schrittweise, mit Arsen. Einfach immer eine

Weitere Kostenlose Bücher