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Lost Place Vienna (German Edition)

Lost Place Vienna (German Edition)

Titel: Lost Place Vienna (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lost Place Vienna
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geschwächt sein, hatte aber sicherlich keinen Schaden
davongetragen.
    Am Eingang bewegte sich etwas. Es war Valentina, die sich vorsichtig
umsah. Alberto war erleichtert. Zum einen dass sie gehen konnte, zum anderen
dass sie nicht aus Nächstenliebe die Junkiebraut zur nächsten Notfallstation
schleppte. Das wäre bloß wieder kompliziert geworden.
    Er war gespannt, wohin sie sich jetzt zurückziehen wollte. Es war
wohl der Plan von Il Cervello, ihr immer weniger Bewegungsraum zu lassen,
bis sie schließlich tat, was er wollte. Alberto hoffte, dass es noch nicht so bald
so weit sein würde. Denn er hatte sie lieb gewonnen. Ein Gefühl, das er sich
gefälligst zu verkneifen hatte. Aber manchmal waren eben auch Killer nur
Menschen.
    * * *
    Valentina wusste nicht, wohin. Es gab niemanden, bei dem sie
Unterschlupf finden konnte. Sie dachte an Provenzano. Auch er hatte abtauchen
müssen. Aber im Gegensatz zu ihm war sie kein skrupelloser Bandit, sondern noch
immer Polizistin. Auch wenn alles gegen sie sprach, würde sie kämpfen bis zum
Letzten. Sie würde nie und nimmer aufgeben. Da müssten sie schon ganz andere
Geschütze auffahren.
    Sie versuchte, sich das Gesicht des Mannes wieder ins Gedächtnis zu
rufen, der ihr gerade das Leben gerettet hatte. Es kam ihr bekannt vor, aber
sie konnte es nicht zuordnen. Je mehr sie ihr Gedächtnis zwingen wollte, umso
mehr verschwammen die Details. Nur der sauber gestutzte Schnäuzer blieb übrig.
    Ihr war kalt geworden, die Hände waren klamm. Sie war ziellos die
Prinz-Eugen-Straße in die Stadt hinuntergelaufen. Jetzt stand sie vor der
Volksgartenseite, die zum Burgtheater zeigte. Der Volksgarten war bereits
abgesperrt. Valentina blickte sich kurz um, kletterte dann flink über das
Gatter und schlich an den Rosen vorbei in Richtung Theseustempel. Auch hier war
eine Baustelle. Das Denkmal wurde renoviert.
    Valentina schwang sich auf das Baugerüst und kletterte bis unter das
vorletzte Plateau. Sie sah sich um, ob sich womöglich noch ein anderer hier ein
Nachtlager gesucht hatte, und legte sich dann beruhigt auf die Bretter des
Gerüsts. Von oben war sie durch das letzte Plateau vor Regen geschützt, nur von
unten drang die Feuchtigkeit des Nebels zu ihr. Sie sah sich nach Kartons um
und wurde fündig. Ihr Blick fiel auf die Rosen, die bereits auf ihre
Frostverpackung für den Winterschlaf warteten. Bald würde es kalt werden.
Einige Jutesäcke waren schon bereitgelegt.
    Valentina kletterte vom Gerüst und schnappte sich drei davon. Dann
stieg sie wieder zu ihrer improvisierten Schlafstatt. Aus dem Augenwinkel
glaubte sie einen Schatten gesehen zu haben. Sie drehte sich rasch um, aber es
war niemand da. Sie war überspannt, kein Wunder.
    Sie rollte sich auf dem Karton ein und deckte sich mit den Säcken
zu. Gemütlichkeit war etwas anderes. Unter den geschlossenen Augenlidern
drehten sich Bilder im Karussell. Zirner, Amre, die drei Frauen, der dicke
Stefan, Nicola, das drogensüchtige Mädchen, der Mann mit dem gestutzten
Bärtchen. Dann tauchte Parizek auf, und Wut brodelte in Valentina. Was immer
dieses korrupte Schwein für ein Spiel trieb, sie würde ihm einen Strich durch
die Rechnung machen.
    Die Wut heizte sie auf, ihr wurde warm, und irgendwann dämmerte sie
in den Schlaf. Die Bilder vor ihren geschlossenen Lidern hatten nun die
Konturen der drei Hochstammrosen, die bald Kapuzen aus Jute tragen würden. Ihre
Blütenköpfe waren gelb, weiß und tiefrot. An ihre zarten Zweige waren Fäden aus
Nylon geknotet, die in die Höhe zogen und an einem hölzernen Kreuz
zusammenliefen. Das Kreuz wurde von einer Hand in einem schwarzen Handschuh
gehalten. Die Hand zuckte und bewegte die drei Rosenstämme. Sie tanzten und
lachten, wiegten ihre Köpfe und begannen ein Lied zu summen, das Valentina an
eine Melodie erinnerte, die ihr bekannt schien. Jetzt erkannte sie auch den
Text des Liedes:
    »Von der Floridsdorfer Brücke,
    da klafft mir eine Lücke,
    hab ich ihn nun erstochen,
    oder hab ich nur erbrochen,
    all den Fusel, den ich soff,
    der mir aus dem Maule troff,
    war es nur aus Rache,
    längst abgemachte Sache?«
    Vermummte Schergen stülpten Jutesäcke über die Köpfe der
heiteren Rosen und setzten die scharfen Messer einer Baumschere um den Hals des
Hochstammes. Drei saubere Schnitte, drei purzelnde Rosenköpfe, die der
Herbstwind über die geputzten Wege des Volksgartens wehte. Dann erschien
verschwommen das Gesicht eines Mannes mit fein gestutztem Schnäuzer.
    * * *
    Das

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