Lost Secrets 4
Und es hilft uns, was er gesehen hat. Denn ganz offenbar hat jemand versucht die Unterlagen zu vernichten, die wir suchen. In dem anderen Heim sind die Unterlagen ebenfalls vernichtet worden.“
„Sie meinen in der Südstadt?“, schaltete sich Anne ein.
„Ja, genau. Kennen Sie es?“
„Kennen?“ Die Nonne winkte ab. „Ich habe dort über 40 Jahre meines Lebens verbracht.“
„Dann können Sie uns vielleicht weiterhelfen“, erklärte Heather hoffnungsvoll. „Wir haben Unterlagen von 1976 gesucht.“
„Über wen?“
„Über Peter Bendon.“
„Oh, Peter!“ Schwester Anne lächelte. „Er war so ein wundervoller Junge. Still und schweigsam. Er wollte immer malen und spielte keines der groben Spiele mit den anderen Jungen. Was wollen sie denn von ihm?“
Heather und Eric wechselten einen bedauernden Blick. „Wie es aussieht hat er fünf Menschen ermordet.“ Ihr fiel einfach keine Möglichkeit ein, wie sie es ihr schonender beibringen konnte.
Die Nonne war sichtlich mitgenommen und ließ sich auf einen bunt bemalten Hocker neben der Hecke nieder. „Was sagen Sie? … Ermordet? Aber das kann doch nicht sein.“
„Leider doch.“
„Er war ein so lieber Junge. Ich kannte ihn von Anfang an.“
„Wie kam er zu Ihnen?“ Eric setzte sich ebenfalls auf einen der Hocker und zog Heather neben sich.
Schwester Anne schüttelte den Kopf und in ihren sonst vor Fröhlichkeit leuchteten Augen spiegelte sich der Schatten einer traurigen Erinnerung.
„Das erste, an das ich mich erinnere, ist, dass ich ein Kind schreien hörte, während ich das Mittagessen vorbereitet hatte.
In meinem Beruf kann man irgendwann der Art des Schreiens sofort zuordnen, wie alt das Kind ist, ob es Hunger hat, ob es wütend ist und all das. Es war ein Neugeborenes, das hörte ich sofort und es schrie vor Hunger; vor purem, verzweifeltem Hunger. – Ich ließ sofort alles stehen und liegen und rannte wie eine Verrückte durchs Haus zur Vordertür. Doch da war nichts. Also lief ich zurück, horchte und begriff schließlich, dass das Schreien aus dem Keller kam.“
„Wie war er denn in den Keller gekommen?“
„Die Mutter hatte ihn vor das offene Kellerfenster gelegt, in die kleine Mulde, in der sich sonst das Laub sammelt. Als ich die Treppe runter kam, schrie er aus Leibeskräften. Ich weiß, dass es für Sie keinen Sinn macht, aber in diesem Moment, hatte ich das Gefühl, dass er so schrie, um seine Mutter anzuklagen, für den Frevel, den sie beging, indem sie ihn aussetzte.“
Heathers Herzschlag beschleunigte sich. „Haben Sie seine Mutter denn gesehen?“
Schwester Anne lächelte bitter. „Sie lief wie der Teufel, wenn mir dieser Vergleich gestattet ist. Als ich bei dem kleinen ankam, war sie schon ein ganzes Stück weit gelaufen. Damals war ich noch jung, ich bin die Treppe wieder hoch und hinter ihr her. Sie war zu Fuß. Falls sie einen Wagen hatte, stand er nicht in der Nähe. Ihre Kleider waren abgetragen und wirkten schäbig. Als sie um die Ecke lief, bekam ich sie zu fassen und riss sie herum. Einen Moment lang sah sie mir in die Augen.“ Schwester Anne rieb sich die Oberarme, als hätte sie unter der dunklen Kutte eine Gänsehaut. „Ihr Blick war leer, eiskalt und … tot. Es waren nicht die Augen einer Mutter. Es war nur Berechnung und Kälte darin, obwohl sie so jung war, fast selbst noch ein Mädchen. Ich wollte etwas sagen, etwas ruhiges, etwas, um sie zu beruhigen und ihr Mut zu machen, das Kind zu behalten. Doch ich kam nicht dazu. Sie schlug mir mit voller Wucht ins Gesicht.“
„Sie hat sie geschlagen?“ Heather starrte die alte Nonne fassungslos an.
„Mit voller Wucht. Ich war so perplex, dass ich sie habe entkommen lassen. Und das war wahrscheinlich am Ende auch die richtige Entscheidung. Denn wenn eine Frau so leicht zuschlägt, will ich mir gar nicht ausmalen, was sie mit ihrem Kind gemacht hätte.“
„Erinnern Sie sich noch an ihr Gesicht?“
Aus dem Augenwinkel nahm Heather wahr, dass Erics Hand zu seiner Hosentasche glitt. Er zog das Telefon hervor, während Schwester Annes Miene hart wurde.
„Ich werde dieses Gesicht nie vergessen. Ich habe es so lebendig vor mir, als stünde sie hier bei uns.“
„Lebendig genug, um sie einem Zeichner zu beschreiben?“, fragte Eric.
„Auf jeden Fall.“
Er wischte über sein Telefon und hatte kurze Zeit darauf Sally in der Leitung.
„Ich brauche einen Phantomzeichner im St. Marys. Einen guten! Am besten schicken Sie mir Ace.“
„Ist in
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