Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Notwendigkeit spricht mein Physisches mein Geistiges aus? Könnt ich nicht meine Augen haben, ohne daß es just Goethes Augen wären? – Auf die Lindheymers aber halt ich; wahrscheinlich sind sie das Brävst und Beste in mir. Freut mich zu denken, daß der Frühsitz, nach dem sie sich nannten, dem römischen Grenzwall ganz nah ist, in der Wettersenke, wo antikes und Barbarenblut von je zusammenfloß. Daher kommts und daher hast dus, den Teint, die Augen und die Distanz vom Deutschen, den Blick für seine Gemeinheit, die an tausend nährenden Wurzeln zerrende Antipathie gegen das Sackermentsvolk, aus dem – und dem zuwider – du lebst, zu dessen Bildung berufen du dies unbeschreiblich prekäre und penible, nicht nur durch Rang, auch durch Instinkt schon isolierte Leben führst, erzwungenen Ansehns, ungern zugestanden, daß sie dran flikken, wo sie können, – ich sollt nicht wissen, daß ich im Grunde euch sämtlichen zur Last? – Wie versöhnt man sie? Ich habe Stunden, wo ich sie herzlich gern versöhnte! Es müßt doch {327} gehen – und ging zuweilen – da doch von ihrem Mark, dem Sachs'schen, Luther'schen sovieles auch in dir, woran du dich in breitem Trotze freust, aber nach deines Geistes Form und Siegel nicht umhin kannst, es in Klarheit und Anmut und Ironie emporzuläutern. So traun sie deinem Deutschtum nicht, spürens wie einen Mißbrauch, und der Ruhm ist unter ihnen wie Haß und Pein. Leidig Dasein, im Ringen und Widerstreit mit einem Volktum, das doch auch wieder den Schwimmer trägt. Soll wohl so sein, wehleidig bin ich nicht. Aber daß sie die Klarheit hassen, ist nicht recht. Daß sie den Reiz der Wahrheit nicht kennen, ist zu beklagen, – daß ihnen Dunst und Rausch und all berserkerisches Unmaß so teuer, ist widerwärtig, – daß sie sich jedem verzückten Schurken gläubig hingeben, der ihr Niedrigstes aufruft, sie in ihren Lastern bestärkt und sie lehrt, Nationalität als Isolierung und Roheit zu begreifen, – daß sie sich immer erst groß und herrlich vorkommen, wenn all ihre Würde gründlich verspielt, und mit so hämischer Galle auf Die blicken, in denen die Fremden Deutschland sehn und ehren, ist miserabel. Ich will sie garnicht versöhnen. Sie mögen mich nicht – recht so, ich mag sie auch nicht, so sind wir quitt. Ich hab mein Deutschtum für mich – mag sie mitsamt der boshaften Philisterei, die sie so nennen, der Teufel holen. Sie meinen, sie sind Deutschland, aber ich bins, und gings zu Grunde mit Stumpf und Stiel, es dauerte in mir. Gebärdet euch, wie ihr wollt, das Meine abzuwehren, – ich stehe doch für euch. Das aber ists, daß ich zum Repräsentanten geboren und garnicht zum Märtyrer; für die Versöhnung weit eher, als für die Tragödie. Ist nicht Versöhnung und Ausgleich all mein Betreiben und meine Sache Bejahen, Geltenlassen und Fruchtbarmachen des Einen wie des Anderen, Gleichgewicht, Zusammenklang? Nur alle Kräfte zusammen machen die Welt, und wichtig ist jede, jede entwickelnswert, und jede Anlage vollendet sich nur durch sich selbst. Individualität und Gesellschaft, Bewußtheit {328} und Naivität, Romantik und Tüchtigkeit, – beides, das andre immer auch und gleich vollkommen, – aufnehmen, einbeziehen, das Ganze sein, die Partisanen jedes Prinzips beschämen, indem man es vollendet – und das andre auch … Humanität als universelle Ubiquität, – das höchste, verführerische Vorbild als heimlich gegen sich selber gerichtete Parodie, Weltherrschaft als Ironie und heiterer Verrat des Einen an das Andre, – damit hat man die Tragödie unter sich, sie fällt dorthin, wo noch nicht Meisterschaft, – wo noch mein Deutschtum nicht, das in dieser Herrschaft und Meisterschaft besteht, – repräsentativer Weise besteht, denn Deutschtum ist Freiheit, Bildung, Allseitigkeit und Liebe, – daß sies nicht wissen, ändert nichts daran. Tragödie zwischen mir und diesem Volk? Ah, was, man zankt sich, aber hoch oben, im leichten, tiefen Spiel will ich exemplarische Versöhnung feiern, will das magisch reimende Gemüt umwölkten Nordens mit dem Geist trimetrisch ewiger Bläue sich gatten lassen zur Erzeugung des Genius. So sage denn, wie sprech ich auch so schön? – Das ist gar leicht, es muß von Herzen gehn –
»Meinten Ew. Excellenz grad was zu mir?«
»Wie? Nein. Ich sagte wohl irgendwas? Dann war es nicht zu dir. Dann wars so bei mir selbst gesprochen. Ist das Alter, weißt du, da fängt der Mensch an, mit sich selbst zu
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