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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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schwägerlichem Paare; {368} Meyer und Riemer mit Damen; Coudray oder Rehbein dazu allenfalls; Hof-Kammerrat und Hof-Kammerrätin Kirms – und wer denn noch?«
    »Onkel Vulpius?«
    »Abgelehnt, du bist nicht klug!«
    »Tante Charlotte?«
    »Charlotte? Du meinst die Stein? Über deine Vorschläge! Zwei Charlotten sind eine Kleinigkeit zuviel. Sagt ich nicht: Vorsicht, Besonnenheit? Kommt sie, so haben wir eine höchst zugespitzte Situation. Sagt sie ab, so gibt's auch dem Gerede Nahrung.«
    »Aus der Nachbarschaft sonst: Herr Stephan Schütze.«
    »Gut, lad' den Schriftsteller ein. Auch ist Herr Bergrat Werner von Freiberg, der Geognostiker, in der Stadt. Den könnte man bitten, daß ich eine Ansprache hab'.«
    »So sind wir – zu sechszehn.«
    »Mag Absagen geben.«
    »Nein, Vater, sie kommen schon alle! – Der Anzug?«
    »Parüre! Den Herren wird Frack mit Distinktionen empfohlen.«
    »Wie du befiehlst. Die Gesellschaft trägt zwar amikales Gepräge, aber ihre Anzahl rechtfertigt einige Formalität. Auch ist's eine Aufmerksamkeit für die von auswärts.«
    »So denk' ich.«
    »Nebenbei hat man das Vergnügen, dich wieder einmal mit dem Weißen Falken zu sehen, – dem Goldnen Vließ, hätt' ich fast gesagt.«
    »Das wäre ein sonderbares, für unsern jungen Brustschmuck allzu schmeichelhaftes Versprechen gewesen.«
    »Es wäre mir trotzdem beinahe untergelaufen – wahrscheinlich weil diese Begegnung mich anmutet wie eine nachzuholende Egmont-Szene. Du hattest in den Wetzlarer Tagen noch keinen spanischen Hofprunk, dich diesem Klärchen darin zu zeigen.«
    {369} »Du bist bei Laune. Sie dient nicht eben, deinen Geschmack zu bessern.«
    »Ein überschärfter Geschmack läßt auf verdrießliche Laune schließen.«
    »Wir haben wohl beide noch Geschäfte heut Morgen.«
    »Dein nächstes wäre, ein Kärtchen hinüberzuschreiben?«
    »Nein, du sprichst vor. Ist weniger und mehr. Du präsentierst meine Empfehlung, meinen Willkommsgruß. Es werde mir nächstens zu Mittag viel Ehre sein.«
    »Eine sehr große wird es für mich sein, dich zu vertreten. Ich durft' es selten bei bedeutenderem Anlaß thun. Nur Wielands Begräbnis wäre allenfalls zum Vergleiche heranzuziehn.«
    »Ich seh' dich bei Tische.«

{370} Achtes Kapitel
    Charlotte Kestner hatte es nicht schwer gehabt, die allerdings unmäßige Verspätung, mit der sie am 22 sten an der Esplanade bei Ridels eingetroffen war, aufzuklären und zu entschuldigen. Einmal an Ort und Stelle, endlich in den Armen ihrer jüngsten Schwester, neben der gerührten Blickes der Gatte stand, war sie von jedem genaueren Rechenschaftsbericht über die Erlebnisse entbunden gewesen, die sie den Vormittag, ja einen Teil des Nachmittags gekostet hatten, und erst in den folgenden Tagen kam sie unter der Hand und von Gelegenheit zu Gelegenheit, teils befragt, teils ihrerseits sich erkundigend, auf die geführten Gespräche zurück. Selbst der von dem letzten Besucher im »Elephanten« überbrachten Einladung auf den dritten Tag entsann sie sich erst nach Stunden mit einem »Ja, richtig!«, nicht ohne mit einer gewissen Dringlichkeit die Zustimmung der Ihren zu dem Billet einzufordern, das sie nach ihrer Ankunft in das berühmte Haus gesandt.
    »Ich habe nicht zuletzt und vielleicht zuerst an dich dabei gedacht«, sagte sie zu ihrem Schwager. »Ich sehe nicht ein, weshalb man nicht Beziehungen wahrnehmen sollte, die, mögen sie noch so überaltert sein, lieben Verwandten nützlich werden könnten.«
    Und der Geheime Land-Kammerrat, der auf den Kammerdirektor in herzoglichen Diensten aspirierte, namentlich weil durch diese Ernennung sein Gehalt, auf das allein er seit den Verlusten der Franzosentage angewiesen war, eine bedeutende Aufbesserung erfahren würde, hatte dankbar gelächelt. Thatsächlich würde es nicht das erste Mal sein, daß der Jugendfreund seiner Schwägerin sich seiner Laufbahn günstig erwies. Goethe schätzte ihn. Er hatte dem jungen Hamburger, der Hauslehrer in einer gräflichen Familie gewesen war, die Stel {371} lung als Erzieher des Erbprinzen von Sachsen-Weimar verschafft, die er einige Jahre lang eingenommen. Bei den Abendgesellschaften der Madame Schopenhauer war Dr. Ridel öfters mit dem Dichter zusammengetroffen, hatte aber in seinem Hause selbst nie verkehrt, und es war ihm mehr als angenehm, daß Charlottens Erscheinen ihm den Zutritt dazu verschaffte.
    Übrigens war von dem bevorstehenden Mittag am Frauenplan, zu dem auch Ridels denselben Abend noch eine

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