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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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soviel Recht, wie die Furcht, würde sie bloßgestellt. Bedenke doch, wie läppisch süß und entnervend sie die Menschen illusioniert und ihnen einflüstert, daß sie sorgenfrei und nach Belieben werden leben dür {363} fen und das Beste sicherlich irgendwo zu finden sein müsse. – Was aber die rühmliche Victoria angeht, so nähme gleich Thersites sie zum Ziel seines widrig verkleinernden Gegeifers, – unerträglich dem Herold, der den Lumpenhund mit seinem Stabe züchtigen müßte, sodaß die Zwerggestalt sich kreischend krümmte und sich zum Klumpen ballte, aus dem Klumpen aber würde vor aller Augen ein Ei, das blähte sich und platzte auf, und ein gräulich Zwillingspaar kröche heraus, Otter und Fledermaus, wovon die Eine im Staube davonkröche, die Andere schwarz zur Decke flöge –«
    »Aber bester Vater, wie sollten wir das wohl machen und auch nur scheinbar zur Anschauung bringen, das platzende Ei und die Otter und Fledermaus!«
    »Ei, mit nur etwas Lust und Liebe zum sinnigen Augenschein wäre auch das zu leisten. Aber damit dürfte der Überraschungen noch keineswegs ein Ende sein, denn nun sollte ein vierbespannter Prachtwagen heranglänzen, vom charmantesten Buben gelenkt, und darauf säße ein König mit gesundem Mondgesicht unter dem Turban, welche beide zu präsentieren ebenfalls Herolds Hofgeschäft wäre: das Mondgesicht, das wäre König Plutus, der Reichtum, aber in dem entzückenden Lenkerknaben mit dem Glitzergeschmeid im schwarzen Haar hätten all-alle die Poesie zu erkennen in ihrer Eigenschaft nämlich als holde Verschwendung, welche dem König Reichtum Fest und Schmaus verschönt, und er brauchte nur mit den Fingern zu schnippen, der Racker, so blitzten und sprängen goldne Spangen und Perlenschnüre und Kamm und Krönchen und köstliche Juwelenringe, um die die liebe Menge sich balgte, unter den Schnippchen hervor.«
    »Du machst es gut, Vater! Spangen, Juwelen und Perlenschnüre! Du meinst wohl: ›Ich kratz den Kopf, reib' an den Händen –‹«
    »Es könnten ja billige Faxen und Rechenpfennige sein. Mir {364} ist es nur darum zu thun, die spendende und verschwendende Poesie zum Reichtum in allegorische Beziehung zu bringen, wobei denn etwan an Venedig zu denken wäre, wo die Kunst wie eine Tulipane wuchs, genährt vom üppigen Boden des Handelsgewinns. Der Plutus im Turban müßte zum reizenden Buben sagen: ›Mein lieber Sohn, ich habe Wohlgefallen an dir!‹«
    »So dürfte er's aber keinesfalls fassen und ausdrücken, Vater. Es wäre –«
    »Es wäre sogar zu wünschen, daß man's einzurichten vermöchte und könnte kleine Flämmchen auf dem und jenem Kopfe erscheinen lassen, welche der schöne Lenker als die größesten Gaben seiner Hand umhergesandt hätte, Flämmchen des Geistes, sich haltend an einem, entschlüpfend dem andern, rasch aufleuchtend da, nur selten daurend, den meisten traurig ausgebrannt wieder verlöschend. So hätten wir Vater, Sohn und Heiligen Geist.«
    »Das ginge beileibe und absolut nicht, Vater, von der mechanischen Unausführbarkeit noch ganz abgesehen! Der Hof würde unruhig. Es wäre gegen die Pietät und entschieden blasphemisch.«
    »Wieso? Wie magst du solche Huldigungen und artigen Allusionen blasphemisch nennen? Die Religion und ihr Vorstellungsschatz sind ein Ingrediens der Kultur, dessen man sich denn heiter-bedeutsam bedienen mag, um ein Allgemein-Geistiges im behaglich-vertrauten Bilde sichtbar und fühlbar zu machen.«
    »Aber doch kein Ingrediens wie ein anderes, Vater. Das mag das Religiöse wohl sein für deine Überschau, aber nicht für den durchschnittlichen Festteilnehmer und auch nicht für den Hof, oder doch heute nicht mehr. Es richtet sich zwar die Stadt nach dem Hof, aber doch auch der Hof nach der Stadt, und gerade heut, wo in Jugend und Gesellschaft die Religion so sehr wieder zu Ehren gekommen –«
    {365} »Nun, basta, so will ich mein kleines Theater wieder einpakken, mitsamt den Spiritus-Flämmchen, und zu euch sprechen, wie die Pharisäer zum Judas: ›Da sehet ihr zu!‹ Es hätte zwar noch allerlei angenehmes Getümmel folgen sollen, der Zug des großen Pan, das wilde Heer mit spitzohrigen Faunen und Satyrn auf dürren Beinen und wohlmeinenden Gnomen und Nymphen und Wilden Männern vom Harz, – allein das alles laß ich auf sich beruhen und muß sehen, es anderswo unterzubringen, wo mich eure modischen Skrupel in Frieden lassen, denn wenn ihr keinen Spaß versteht, bin ich nicht euer Mann. – Wovon sind wir

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