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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Töchterchen bereit erklärt hatte. Derjenige, der seiner eigenen Aussage nach am liebsten all ihre Kinder aus der Taufe gehoben hätte, war damals in Rom gewesen, und die Mutter, die eben eine kurze, überraschende Anzeige seines großen Aufenthaltes von ihm empfangen, hatte sich in innig stolzen Reden über das außerordentliche Kind ergangen, die Lotte wohl behalten hatte und jetzt ihrer Schwester wiederholte. Wie fruchtbar-förderlich und höchsten Gewinn bringend, hatte sie gerufen, müsse nicht eine solche Reise für einen Menschen seines Adlerblicks für alles Gute und Große sein, segenvoll nicht nur für ihn, sondern für alle, die das Glück hätten, in seinem Wirkungskreis zu leben! Ja, so war dieser Mutter das Los gefallen, daß sie laut und offen diejenigen glücklich pries, denen es vergönnt war, dem Lebenskreis ihres Kindes anzugehören. Sie hatte die Worte einer Freundin, der seligen Klettenbergerin angeführt: »Wenn ihr Wolfgang nach {374} Meintz reise, bringe er mehr mit, als andere, die von Paris und London zurückkämen.« Er habe, verkündete die Glückliche, ihr in seinem Briefe versprochen, sie auf der Rückreise zu besuchen. Dann müsse er alles haarklein erzählen, und dazu sollten sämtliche Freunde und Bekannte ins Haus geladen sein und herrlich traktiert werden – pompos solle es hergehen und Wildpret, Braten, Geflügel sollten wie Sand am Meere sein. – Es sei dann wohl nichts daraus geworden, vermutete Amalie Ridel, und ihre Schwester, die auch dergleichen gehört zu haben meinte, lenkte das Gespräch wieder auf ihre eigenen Söhne, deren gut gezogene Anhänglichkeit und schicklich regelmäßige Besuche denn auch ihr Gelegenheit zu einiger mütterlicher Ruhmredigkeit gab.
    Daß sie die Schwester damit nachgerade etwas langweilte, mochte ihr bewußt werden. Und da ohnedies die Toilettenfrage für den bewußten Mittag natürlich zu besprechen war, so verriet Charlotte der Kammerrätin unter vier Augen ihren vorhabenden sinnigen Scherz, diese heiter-bedeutsame Idee des Volpertshausener Ballkleides mit der ausgesparten rosa Schleife. Es geschah so, daß sie die Jüngere nach ihren eigenen Plänen fragte, und, danach selbst befragt, sich erst in ein zögernd-verschämtes und lächelndes Schweigen hüllte, dann aber mit ihrer literarisch und persönlich erinnerungsvollen Absicht errötend hervortrat. Übrigens hatte sie dem Urteil der Schwester vorgegriffen, ihm gewissermaßen dadurch vorgebaut, daß sie deren Mißbilligung für Lottchens, der Jüngeren, kaltes und kritisches Verhalten zu ihrem Einfall im Voraus eingefordert hatte. So wollte es freilich nicht viel besagen, daß Amalie ihn allerliebst fand – mit einem diesem Urteil nicht genau zugehörigen Gesichtsausdruck und indem sie gleichsam tröstend hinzufügte, falls der Hausherr selbst die Anspielung nicht auffassen sollte, so werde sicher einer der Seinen sie bemerken und ihn darauf hinweisen. Übrigens war sie dann nicht mehr auf den Punkt zurückgekommen.
    {375} Soviel von den Unterhaltungen der wieder vereinigten Schwestern. Es steht fest, daß diese ersten Tage von Charlotte Buffs Aufenthalt in Weimar ganz aufs Häusliche beschränkt blieben. Die neugierige Gesellschaft hatte auf ihr Erscheinen zu warten; das Publikum sah sie auf kleinen Gängen, die sie mit der Kammerrätin durch die ländliche Stadt und den Park unternahm, beim Tempelherrenhaus, bei der Lauterquelle und an der Klause, auch abends wohl noch, wenn sie, abgeholt von ihrer Zofe, in Gesellschaft ihrer Tochter und etwa noch Dr. Ridels von der Esplanade zu ihrem Gasthof am Markte zurückkehrte; und viel wurde sie erkannt – wenn nicht unmittelbar als sie selbst, so durch Schlußfolgerung von ihrer Begleitung auf ihre Person, und, die sanften, distinguiert blickenden blauen Augen still geradeaus gerichtet, hatte sie manch scharrendes Umwenden von Leuten zu erlauschen, die eben mit plötzlich hochgezogenen Brauen oder auch einem Lächeln an ihr vorübergegangen waren. Ihre würdig-gütige, ein wenig majestätische Art, Grüße zu erwidern, die ihren stadtbekannten Verwandten galten, und in die man mit Genugtuung sie mit einbezog, wurde viel bemerkt.
    So kam, nur mit Zurückhaltung vor-erwähnt, eher in innerlich gespanntem Schweigen erwartet, der Mittag oder Nachmittag der ehrenvollen Einladung heran; eine Mietskutsche, die Ridel teils mit Rücksicht auf den Staat der Damen und auf seine eigenen Schuhe, – denn dieser verhängte 25. September neigte zum

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