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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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sich noch einer oder der andere dieser Empfänge zu. Ferner sahen Hofrat Meyer und seine Gattin, geborene von Koppenfels, und ebenso Oberbaurat Coudrays die Jugendfreundin Goethe's einmal bei sich. Aber auch in der eigentlichen Hofgesellschaft hat man diese gelegentlich erscheinen sehen und zwar im Hause des Grafen Edling, Mitgliedes der Hoftheater-Intendanz, und seiner schönen Gemahlin, der Prinzessin Sturdza aus der Moldau. Diese gaben Anfang Oktober in ihrer Gegenwart eine durch musikalische Aufführungen und Rezitationen gehobene Soirée, und es war wahrscheinlich bei dieser Gelegenheit, daß Charlotte die Bekanntschaft Frau von Schillers machte, die in einem an eine auswärtige Freundin gerichteten Brief eine sympathisch-kritische Beschreibung ihrer Erscheinung und Person niedergelegt hat. Auch der Geh. Kammerrätin Ridel gedenkt diese an {430} dere Charlotte dabei im Zusammenhang mit der »Vergänglichkeit der Dinge dieser Erde«, indem sie nämlich berichtet, wie sehr gesetzt und ausgereift die »naseweise Blondine« des Romans nun unter den Damen gesessen habe. –
    Bei allen diesen Gelegenheiten war Charlotte, wie sich versteht, von vieler Ehrerbietung umgeben, und die freundlich gefaßte Würde, mit der sie die Huldigungen entgegennahm, bewirkte bald, daß diese nicht mehr nur ihrer literarischen Stellung, sondern ihrer Person und Menschlichkeit selber galten, unter deren Eigenschaften eine sanfte Melancholie nicht die am wenigsten anziehende war. Aufgeregte Gebarung, die ihr Erscheinen hervorrief, wies sie mit ruhiger Bestimmtheit zurück. So wird berichtet, daß, als ein überspanntes Frauenzimmer sich in einer Gesellschaft – wahrscheinlich beim Grafen Edling – mit ausgebreiteten Armen und dem Rufe »Lotte! Lotte!« auf sie stürzte, sie die Närrin, zurücktretend, mit dem Bedeuten: »Mäßigen Sie sich, meine Liebe!« zur Raison gebracht und sich übrigens danach sehr gütig mit ihr über städtische und Weltbegebenheiten unterhalten habe. – Bosheit, Klatsch und Gestichel verschonten sie selbstverständlich nicht ganz, wurden aber von dem Wohlwollen aller besser gearteten Menschen im Zaum gehalten; und selbst als nachträglich – man muß wohl annehmen: durch eine Indiskretion Schwester Amalies – sich das Gerücht verbreitete, die Alte sei zu Goethe in einem Aufzuge gegangen, der von geschmacklosen Allusionen auf die Werther-Liebschaft nicht frei gewesen sei, war ihre moralische Position schon zu gefestigt, als daß ihr das Gerede viel hätte anhaben können.
    Den Freund von Wetzlar sah sie bei keinem dieser Ausgänge wieder. Man wußte, daß erstens eine Gicht im Arm ihn inkommodierte, und daß er zweitens eben jetzt mit der Revision zweier neuer Bände der Gesamtausgabe seiner Werke sehr beschäftigt war. Über jenes oben skizzierte Mittagessen am Frau {431} enplan berichtete Charlotte ihrem Sohne August, dem Legationsrat, in einem uns vorliegenden Briefe, von dem man nur sagen kann, daß er stark momentanen Charakter trägt und geringe Bemühung, ja etwas wie eine Gegen-Bemühung zeigt, dem Erlebnis gerecht zu werden. Sie schrieb:
    »Von dem Wiedersehen des großen Mannes habe ich Euch selbst noch wohl nichts gesagt: Viel kann ich auch nicht darüber bemerken. Nur so viel, ich habe eine neue Bekanntschaft von einem alten Manne gemacht, welcher, wenn ich nicht wüßte, daß es Goethe wäre, und auch dennoch, keinen angenehmen Eindruck auf mich gemacht hat. Du weißt, wie wenig ich mir von diesem Wiedersehen oder vielmehr dieser neuen Bekanntschaft versprach, war daher sehr unbefangen; auch that er nach seiner steifen Art alles mögliche, um verbindlich gegen mich zu sein. Er erinnerte sich Deiner und Theodors mit Interesse … Deine Mutter Charlotte Kestner, geb. Buff.«
    Ein Vergleich dieser Zeilen mit dem zu Anfang unserer Erzählung wiedergegebenen Billet an Goethe zwingt zu der Bemerkung, einer wieviel sorgsameren inneren Vorbereitung dieses seine Form verdankt.
    Aber auch der Jugendfreund hat ihr einmal, fast schon zu ihrer Überraschung, in diesen Wochen geschrieben: Charlotte empfing sein Kärtchen am 9 ten Oktober im »Elephanten«, früh bei der Morgentoilette, durch Mager, den nach der Überreichung wieder aus dem Zimmer zu entfernen nicht leicht war. Sie las:
    »Wenn Sie sich, verehrte Freundin, heute Abend meiner Loge bedienen, so holt mein Wagen Sie ab. Es bedarf keiner Billette. Mein Bedienter zeigt den Weg durchs Parterre. Verzeihen Sie, wenn ich mich nicht selbst

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