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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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abgeschmackte, und garnichts tat, indessen der Meine, um es recht bald zu etwas zu bringen um meinetwillen, sich's sauer werden ließ in der Schreibstube bei seinem Gesandten. Ich bin überzeugt noch heute und will's maßgeblich beisteuern zur Forschung und zum Gedächtnis dieser Geschichte, daß der Freund auch davon entzückt war, ich meine von Kestners Geschäftslast – nicht weil sie ihm Spielraum und Chance gab bei mir, er war ja nicht untreu, niemand soll das von ihm sagen. Auch war er garnicht verliebt in mich vorderhand, Sie müssen das recht verstehen, sondern er war verliebt in unsere Verlobtheit und in unser wartendes Glück, und mein Guter war sein Bruderherz um dieser Verliebtheit willen, dem er gewiß nicht untreu zu sein gedachte, sondern den er treulich im Arme hielt, um mich mit ihm im Vereine zu lieben und teilzuhaben an unseren wohlgegründeten Verhältnissen – um seine Schulter den Arm und auf mich die Augen gerichtet, – wobei es denn aber geschehen mochte, daß der treue Arm ein wenig in Vergessenheit geriet auf der Schulter und nur eben noch dalag, indeß sich die Augen auf andere Weise vergaßen. Doktor, stellen Sie es sich vor mit mir, ich habe in all den Jahren so viel und genau daran zurück {111} gedacht, als ich die Kinder trug und sie aufzog und hernach immerfort bis zu diesem Tage! Guter Himmel, ich merkte wohl und hätte kein Frauenzimmer sein müssen, um's nicht zu merken, daß seine Augen allmählich in Zwietracht gerieten mit seiner Treue und daß er anfing, nicht mehr in unsre Verlobtheit verliebt zu sein, sondern in mich, das heißt in das, was meinem Guten gehörte, und wozu ich mich in diesen vier Jahren herausgemacht für den und um dessentwillen, der mich fürs Leben wollte und wollte der Vater meiner Kinder sein. Einmal gab jener mir etwas zu lesen, was mir verriet und auch wohl verraten sollte, wie alles stand und was er für mich empfand, des Armes ungeachtet um Kestners Schulter, – etwas Gedrucktes, was er hatte einrücken lassen – denn er schrieb und dichtete ja immer und hatte eine Handschrift mit nach Wetzlar gebracht, ein Ding wie ein Drama, den Goetz von Berlichingen mit der eisernen Hand, das seine Freunde vom Mittagstisch im ›Kronprinzen‹ kannten, weshalb er denn unter ihnen auch ›Goetz, der Redliche‹ hieß – aber Rezensionen und dergleichen schrieb er auch, und dies war eine solche, die er in die Frankfurter Gelehrten Anzeigen hatte einrücken gelassen, und handelte von Gedichten, die ein polnischer Jude verfaßt und an Tag gegeben. Es war aber nicht lange vom Juden und seinen Gedichten die Rede, sondern bald kam er da, als könnt' er nicht an sich halten, auf einen Jüngling und ein Mädchen zu reden, das der Jüngling in ländlichem Frieden entdeckte, und in dem ich mich in aller Scham und Bescheidenheit notgedrungen selber erkennen mußte, so dicht war der Text mit Anspielungen gespickt auf meine Verhältnisse und Person und auf den stillen Familienkreis häuslicher, tätiger Liebe, worin sich das Mädchen als zweite Mutter ihres Hauses in Güte und Anmut sollte entfaltet haben, so angenehm, daß ihre liebwirkende Seele jedes Herz unwiderstehlich an sich reiße (ich halte mich an seine Worte) und Dichter und Weise zu der jungen Person nur immer {112} willig möchten in die Schule gehen, um mit Entzücken eingeborene Tugend zu schauen und mitgeborenen Wohlstand und Grazie. Kurzum, es war der Anspielungen kein Ende, ich hätte müssen mit dem Dummklotz geschlagen sein, um nicht zu merken, wo es hinauswollte, und war so ein Fall, wo Scham und Bescheidenheit sich zwar sträuben gegen das Wiedererkennen, es aber doch unmöglich verhindern können. Das Schlimme aber, was mir so bange machte und mich so brennend erschreckte, war, daß der Jüngling dem Mädchen sein Herz antrug, das er jung und warm nannte wie das ihre, geschaffen mit ihr nach fernern, verhülltern Seligkeiten dieser Welt zu ahnden, (so drückte er sich aus) und in dessen belebender Gesellschaft (wie hätte ich die ›belebende Gesellschaft‹ nicht wiedererkennen sollen!) sie nach goldnen Aussichten von ewigem Beisammensein (ich citiere wörtlich) und unsterblich webender Liebe fest angeschlossen hinstreben möge.«
    »Erlauben Sie, teuerste Hofrätin, was fördern Sie da zu Tage!« fiel Riemer ihr hier ins Wort. »Sie teilen Dinge mit, deren Belang für die schöne Forschung Sie nicht ganz nach Gebühr abzuschätzen scheinen. Man weiß nichts von dieser frühen Rezension –

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