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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Reichskammergerichts, – man wird das alles einmal wissen müssen, weil es erforscht werden wird aus Bildungsgründen, darum halt' ich's schon heute fest, aber auch um Ihnen zu zeigen, daß Karoline, unsere Aelteste, später in ihrer Art noch eine ganz prächtige Frauensperson geworden ist, man muß dafür sorgen, daß die Geschichte auch ihr gerecht wird. Aber damals war sie nicht prächtig, die Prächtige war ich, nach allgemeinem Befunde, obgleich ich zu der Zeit ein recht spilleriges Ding war, strohblond und wasserblau: erst in den nächsten vier Jahren machte ich mich weiblich ein bischen heraus, – mit einem gewissen Entschluß, wie mir vorkommt, nämlich Kestnern zu Liebe und zu Gefallen, der meiner hausmütterlichen Prächtigkeit wegen gleich ein Auge auf mich geworfen hatte, ein verliebtes Auge, nennen wir die Dinge doch nur bei Namen, und, wie er in allen Stücken wußte, was er wollte, auch gleich, beinahe vom ersten Tage an, wußte, daß er mich, das Lottchen, zur Eheliebsten und Hausfrau wollte, wenn er einmal so weit sein und nach Amt und Salair sich würde sehen lassen können als Freier. Das war natürlich die Bedingung unseres guten Vaters, des Amtmanns, daß Kestner es erst zu was Rechtem müßte gebracht haben, bevor er seinen Segen gäbe zu unserem Bunde, und müßte erst der Mann sein, eine Familie zu ernähren, zu schweigen davon, daß ich zur Zeit noch ein spilleriges Küken war mit meinen fünfzehn. Aber eine Verlobung war es doch schon damals und ein festes, stilles Gelöbnis von beiden Seiten: Er, der Brave wollte mich unbedingt wegen meiner Prächtigkeit, und ich wollte ihn auch von ganzem Herzen, weil er mich so gerne wollte und aus Vertrauen {109} zu seiner Redlichkeit, – kurzum, wir waren versprochene Leute, wir bauten auf einander fürs Leben, und wenn ich mich in den nächsten vier Jahren körperlich ein bischen herausputzte und sozusagen Gestalt annahm als Frauenzimmer, eine ganz hübsche Gestalt, so wäre das wohl auch sonst geschehen, natürlich, die Zeit war gekommen für mich, daß ich zum Weibe wurde aus einem Küken und mich, poetisch gesprochen, zur Jungfrau entfaltete – das so wie so. Aber für mein Gefühl und in meiner Vorstellung war es doch anders, – da geschah es und vollzog sich von Tag zu Tag nach einem gewissen Vorsatz, aus Liebe zu dem getreuen Mann, der mich wollte, und ihm zu Ehren, damit ich zu dem Zeitpunkt, wo er würde präsentabel geworden sein als Freier, auch für mein Teil präsentabel sein möchte als Braut und zukünftige Mutter … Ich weiß nicht, ob Sie verstehen, daß ich Wert darauf lege, zu betonen, daß ich nach meiner Idee ausdrücklich für ihn, den Guten, Getreuen, der auf mich wartete, mich weiblich herausgemacht und zu einer hübschen Dirn, oder einer ansehnlichen doch, geworden war?«
    »Ich glaube wohl zu verstehen«, sagte Riemer mit gesenkten Augen.
    »Nun denn, als es so weit war mit den Dingen, kam also der Dritte hinzu, der Freund, der liebe Teilnehmer, der soviel Zeit hatte, er kam von außen und ließ sich nieder auf diesem Verhältnis und diesen wohl bereiteten Lebensumständen, ein bunter Falter und Sommervogel. Verzeihen Sie, daß ich ihn einen Falter nenne, denn er war gewiß kein so leichter Bursche, – will sagen: leicht war er wohl auch, ein bischen toll und eitel in seiner Kleidung, ein Schwerenöter, der auf Jugendkraft und Munterkeit gern posierte und gern den besten Gesellschafter seines Kreises machte, das artigste Spiel anzugeben, und dem die beste Tänzerin freudig die Hand reichen mochte, – das alles wohl, – obgleich ihm der Übermut und Sommervogel-Glanz nicht einmal immer so recht wollte zu Gesichte stehen, weil er {110} denn doch zu schwer und voll von Gemüt und Gedanken dafür war, – aber eben die Lust am tiefen Gemüt und der Stolz auf die großen Gedanken, die waren das Bindeglied zwischen Ernst und Leichtigkeit, zwischen Schwermut und Selbstgefallen, und er war allerliebst im Großen-Ganzen, das muß man sagen: so hübsch und brav und zur redlichen Resipiscenz einer Torheit jederzeit gutherzig bereit. Kestner und ich, wir mochten ihn gleich, – alle Drei mochten wir uns herzlich unter einander; denn er, der von außen Kommende, war entzückt über die Verhältnisse, in denen er uns vorfand, und voller Freude sich darauf niederzulassen und auch mit zu nippen als Freund und Dritter, wozu er ja alle Muße hatte, da er das Kammergericht eine gute Sache sein ließ, oder auch eine

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