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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Gleichmut mich ein wenig leichtsinnig machte?«
    »Ich besitze«, erwiderte Riemer, »durch meinen hohen Dienst einige Schulung in solchen Finessen und glaube die Lage von damals so ziemlich zu übersehen. Ich verberge mir {115} auch nicht die Schwierigkeiten, die diese Lage für Sie, Frau Hofrätin, mit sich brachte.«
    »Dafür danke ich Ihnen«, sagte Charlotte, »und lasse mir die Dankbarkeit für Ihr Verständnis nicht mindern dadurch, daß das alles so lange her ist. Die Zeit spielt wirklich hier eine so ohnmächtige Rolle wie nicht leicht sonst im Leben, und ich darf sagen, daß in diesen vierundvierzig Jahren die Situation von damals ihre volle Frische und eine die Gedanken immer neu und unmittelbar anstrengende Gegenwart bewahrt hat. Ja, es ist, so voll diese vielen Jahre waren von Freud' und Leid, wohl kein Tag vergangen, an dem ich nicht angestrengt nachgedacht hätte über die Lage von damals – ihre Folgen, und was daraus geworden für die geistige Welt, machen das wohl begreiflich.«
    »Vollkommen begreiflich.«
    »Wie schön, Herr Doktor, Ihr ›Vollkommen begreiflich‹. Wie wohltuend und ermutigend. Das ist ein guter Gesprächspartner, der dies gute Wort jeden Augenblick zu sprechen bereit ist. Es scheint, was Sie Ihren ›hohen Dienst‹ nennen, hat wirklich in mancher Beziehung auf Sie abgefärbt und auch Ihnen viel von den Eigenschaften eines Beichtvaters und Großpoenitentiarius mitgeteilt, dem man alles sagen möchte und sagen kann, denn alles ist ihm ›vollkommen begreiflich‹. Sie machen mir Mut, Ihnen von dem Kopfzerbrechen, das gewisse Erfahrungen mir damals und später verursacht haben, noch einiges mich Bedrängende einzubekennen, – die Rolle und der Charakter des Dritten nämlich, der von außen kommt und in ein gemachtes Nest das Kukuksei seines Gefühles legt. Ich bitte Sie, nehmen Sie keinen Anstoß an solchen Bezeichnungen wie ›Kukuksei‹ – bedenken Sie, daß Sie das Recht verspielt haben, Anstoß daran zu nehmen, indem Sie mir mit ähnlichen Wendungen – nennen wir sie nun mutig oder anstößig – vorangegangen sind. So haben Sie zum Beispiel von ›elbischem Wesen‹ gesprochen, – ›elbisch‹, das ist meiner Meinung nach nicht weniger bedenk {116} lich als ›Kukuksei‹. Auch ist das Wort nur der Ausdruck eines langjährig-unaufhörlichen und angestrengten Kopfzerbrechens, – verstehen Sie mich recht, ich sage nicht: sein Ergebnis! Als solches wäre es wenig schön und würdig, das gebe ich zu. Nein, solche Bezeichnungen sind gewissermaßen noch die Anstrengung selbst und vorerst nichts weiter … Ich sage und will nichts weiter gesagt haben als dies: Ein wackerer Jüngling sollte das Mädchen, dem er seine Liebe weiht und dem er seine Huldigungen darbringt – Huldigungen, die doch auch Werbungen sind und selbstverständlich das Mädchen beeindrucken, – desto mehr, versteht sich, je besonderer und glänzender der fragliche Jüngling sich darstellt und je belebender seine Gesellschaft ist, und die manches natürliche Entgegenkommen in ihrem Busen aufrufen: – der Jüngling, meine ich, sollte das Mädchen seiner Wahl auch wirklich auf eigene Hand erwählen, es selber entdecken auf seiner Lebensfahrt, selbständig ihren Wert erkennen und sie hervorziehen aus dem Dunkel des Unerkanntseins, um sie zu lieben. Warum sollte ich Sie nicht fragen, was ich mich so oft gefragt in diesen vierundvierzig Jahren: Wie steht es um die Wackerkeit eines Jünglings – seine Gesellschaft sei sonst auch noch so belebend –, der dieser Selbständigkeit des Findens und Liebens ermangelt, sondern kommt, den Dritten zu machen und zu lieben, was für einen anderen und durch einen anderen erblüht ist? Der sich in anderer Leute Verlobtheit vernarrt, sich niederläßt auf anderer Lebensschöpfung und naschhaft von fremder Zubereitung profitiert? Die Liebe zu einer Braut – das ist es, was mir Kopfzerbrechen gemacht hat durch all die Jahre meines Ehe- und Witwenstandes, – eine Liebe in Treuen zum Bräutigam übrigens, welche bei aller Werbung, die von Liebe nun einmal unzertrennlich ist, keineswegs die Rechte des Finders zu schmälern gedenkt – oder doch anders nicht als höchstens durch einen Kuß –, die alle Lebensrechte und -Pflichten dem {117} Finder und Bräutigam herzbrüderlich überläßt und sich im Voraus bescheidet, die Kinderchen, die dieser Lebensgründung entsprießen werden, samt und sonders aus der Taufe zu heben, oder wenigstens, sollte auch das

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