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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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zu trennen, sondern zu erwägen sein, daß es am Ende die Eigenschaften der Person sind, die sie befähigen, zur Personifikation zu werden. Auf jeden Fall hatten unsere Empfindungen für den jungen Helden – oder, da ich hier billig zurücktrete – hatten die Ottiliens sich niemals mit konkreten Hoffnungen und Wünschen verbinden können, da solche bei Ferdinands schlichter Herkunft als Pelzhändlerssohn nicht hatten aufkommen können. Unter diesem Standes-Gesichtspunkt war, wie ich zuweilen wohl dachte, immer noch eher ich es, die solche Gedanken hätte hegen können; ja, in schwachen Stunden träumte ich davon, daß der Liebreiz meiner ihm unerreichbaren Freundin für den mir fehlenden eintreten und mir den Jüngling zu einem Bunde gewinnen möchte, vor dessen gräßlichen Gefahren ich freilich sofort erschaudernd zurückschrecken mußte … nicht ohne sie mit einem gewissen belletristischen Interesse ins Auge zu fassen; denn ich sagte mir, daß meine Träumerei wohl würdig sei, von einem Goethe zum Gegenstand einer zartesten sittlich-sinnlichen Darstellung gemacht zu werden.
    {207} Kurzum, nichts von Enttäuschung und keine Rede davon, daß wir uns im Mindesten von unserem Teueren hätten verraten fühlen können und dürfen! Mit der herzlichst beglückwünschenden Teilnehmung begegneten wir seinem Geständnis, etwas beschämt nur durch die Schonung, die er uns so lange hatte angedeihen lassen und – die wir doch gern auch weiter genossen hätten. Denn eine gewisse Verwirrung und Verwundung, ein halb eingeständliches Leidwesen war dennoch mit der Erfahrung von Ferdinands Gebunden- und Vergebensein verknüpft; etwas Unbestimmtes, nicht zu Bestimmendes an Traum und Hoffnung kam in Wegfall, was bisher unseren freundschaftlichen Umgang mit ihm versüßt hatte. Wir aber, ohne es ausdrücklich zu vereinbaren und doch wie auf Verabredung, suchten diesem leisen Mißgefühl zu entrinnen, indem wir entschlossen seine Braut in unsere Verehrung, unsere Schwärmerei mit einbezogen, welche denn fortan zu einem Doppelkult des Heldenjünglings und seiner Trauten wurde, – dieses deutschen Mädchens, an dessen Würdigkeit wir uns jeden Zweifel verboten und das wir uns halb wie eine Thusnelda, halb aber auch, oder vorwiegend, wie Goethes Dorothea vorstellten – allerdings natürlich mit blauen und nicht mit schwarzen Augen.
    Wie soll ich es erklären, daß wir Augusten Heinkes Verlobtheit ebenso verschwiegen wie dieser selbst sie uns lange verschwiegen hatte? Ottilie wollte es so, und wir sprachen uns über die Gründe nicht aus. Ich muß sagen: es wunderte mich; denn sie empfand doch ihre patriotische Neigung zu dem jungen Krieger dem melancholischen Liebhaber gegenüber als eine Schuld, – daß aber diese Neigung, selbst noch abgesehen von den gesellschaftlichen Umständen, keinerlei Gefahr für diesen berge, daß man sie ziel- und aussichtslos nennen konnte, wollte sie ihn nicht wissen lassen, obgleich doch die Nachricht seiner Beruhigung entschieden gedient und ihn mögli {208} cher Weise sogar gegen Ferdinand gleichgültig-freundlicher gestimmt hätte. Bereitwillig übrigens folgte ich ihrer Vorschrift. Des Kammerassessors Mißgunst, seine gehässige Art von Ferdinand zu sprechen verdienten den Trost, die Genugtuung nicht. Und dann: Würde seine Gereiztheit ihn nicht eines Tages zu weit – die unausgesetzte Beleidigung von Ottiliens Gefühl nicht endlich zu dem Bruche führen, den ich um ihres Seelenheiles willen im Stillen ersehnte?
    Verehrte Zuhörerin, so geschah es. Zunächst einmal wenigstens und für den Augenblick ging es nach meinen geheimen Wünschen. Unsere Begegnungen und Zusammenkünfte mit Herrn von Goethe nahmen um diese Zeit einen immer prekäreren, immer streitbareren Charakter an; Szene folgte auf Szene; August, düster leidend unter seiner Diffamierung, seiner ungetrösteten Eifersucht, ermüdete nicht, sich in Vorwürfen und Klagen über den Verrat an unserer Freundschaft mit ihm zu ergehen, begangen mit einem gut gewachsenen Dummkopf und teutschen Michel; Ottilie, freilich immer ohne ihm von Heinkes schlesischen Bewandtnissen etwas zu sagen, zerfloß, in ihrer Treue gekränkt, an meinem Halse in Thränen, und endlich kam es zum Eclat, in dem, wie immer, Politisches und Persönliches sich vermischten: Eines Nachmittags im Garten der Gräfin Henckel, erging August sich wieder einmal in frenetischer Verherrlichung Napoléons, nicht ohne die Ausdrücke, deren er sich zur Herabsetzung seiner

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