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Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Lotte in Weimar: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Mann , Werner Frizen
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Gegner bediente, deutlichst auf Ferdinand zu münzen. Ottilie erwiderte ihm, indem sie ihrem Abscheu vor jener Völkergeißel freien Lauf ließ und der Jugend, die glorreich wider sie aufgestanden, auch ihrerseits durchaus die Züge unseres Helden verlieh; ich sekundierte ihr; August, bleich vor Zorn, erklärte mit erstickter Stimme, alles sei zwischen ihm und uns zu Ende, er kenne uns nicht mehr, wir seien Luft für ihn von nun an und verließ in voller Rage den Garten.
    {209} Ich, obwohl erschüttert, fand mich am Ziel meiner Wünsche, bekannte Ottilien auch offen, daß ich mich dort sah und suchte sie unter Aufbietung all meiner Beredsamkeit über das Zerwürfnis mit Herrn von Goethe zu trösten, indem ich ihr vorhielt, daß das Verhältnis mit ihm nie und nimmer zu etwas Gutem hätte führen können. Ich hatte gut reden. Mein Liebling befand sich in der grausamsten Lage und dauerte mich unaussprechlich. Bedenken Sie! Der Jüngling, den sie mit Begeisterung liebte, gehörte einer anderen, und derjenige, dem sie in schönem Erlösungsdrange das Opfer ihres Lebens zu bringen bereit war, hatte ihr den Rücken gewandt, nachdem er ihr in wilden Worten die Freundschaft vor die Füße geworfen. Nicht genug damit! Wenn sie sich in ihrer Verlassenheit an den Busen ihrer Mutter warf, so wandte sie sich an ein Herz, das selbst soeben von furchtbarer Enttäuschung getroffen war und seinerseits des Trostes zu bedürftig war, als daß es welchen auszuspenden hätte die Kraft haben sollen: Ottilie war nach dem vernichtenden Auftritt mit August auf meinen Rat für einige Wochen zu ihren Verwandten nach Dessau gereist, mußte aber, von einem Eilboten zurückgerufen, über Hals und Kopf nach Hause kehren. Niederschmetterndes war geschehen. Graf Edling, der zärtliche Hausfreund und Vormund, das Vice-Väterchen, der schönste Mann des Herzogtums, auf dessen Freierwort, dessen Hand Frau von Pogwisch so entschieden gerechnet und zu rechnen soviel Grund gehabt, hatte Knall und Fall, ohne über die Hoffnungen, die er erregt, auch nur ein Wort zu verlieren, eine zugereiste Prinzessin Sturdza aus der Moldau geheiratet!
    Welch ein Herbst und Winter, meine Teuere! Ich rufe dies aus – nicht sowohl weil im Februar Napoléon von Elba floh und aufs Neue besiegt werden mußte, sondern im Hinblick auf die Zumutungen, welche das Schicksal an Mutter und Tochter – die Proben, auf die es die Kraft und Würde ihrer Seelen stellte, {210} und die sehr verwandt waren. Frau von Pogwisch war genötigt, bei Hofe fast täglich mit dem Grafen, sehr häufig auch mit seiner Jungvermählten zusammenzutreffen und, den Tod im Herzen, äußerlich nicht nur lächelnde Freundschaft zu wahren, sondern dies auch unter den Augen einer mit ihren gescheiterten Hoffnungen sehr wohl vertrauten schadenfrohen Welt zu tun. Ottilie, berufen, ihr in dieser fast über Menschenkraft gehenden Bewährung zu assistieren, hatte dabei in möglichst guter Haltung die ebenfalls der Gesellschaft bald bekannte und von ihr mit Neugier beobachtete Brouillerie mit Herrn von Goethe zu bestehen, der sie nicht ansah, sie in finsterer Ostentation brüskierte und schnitt. Und mein Teil war es, mich zwischen diesen Mißverhältnissen beklommen hindurchzuwinden, – verödeten Herzens auch meinerseits; denn kurz vor Weihnachten hatte Ferdinand uns verlassen, um sich nach Schlesien zu begeben und seine Thusnelda oder Dorothea – in Wirklichkeit hieß sie Fanny – heimzuführen, und so wenig die Natur mich seinetwegen zu irgendwelchen eigenen Hoffnungen berechtigt, so karg sie mich immer auf die Rolle der Vertrauten verwiesen hatte: den vollen Schmerz über seinen Verlust gestattete sie auch mir, mochte sie ihm in meinem Fall auch ein gewisses Erleichterungsgefühl, ja etwas wie sanfte Genugtuung beimischen. Denn immerhin ist es für eine Häßliche leichter, zusammen mit einer Schönen den Kult der Erinnerung an den entschwundenen Helden ihrer Träume zu betreiben, wie wir es nun wieder taten, als sich mit ihr in das ungleiche Glück seiner körperlichen Gegenwart zu teilen.
    War also mir durch unseres Jünglings Entfernung und seine Vereinigung mit einer Dritten bei aller Entbehrung doch auch eine willkommene Beruhigung gewährt, so sah ich mit Befriedigung dergleichen auch für Ottilien aus dem Zerwürfnis mit August erwachsen. Ja, bei aller gesellschaftlichen Peinlichkeit, die es mit sich brachte, gestand sie mir doch, es tue ihr wohl, sie {211} empfinde es als Glück und Befreiung,

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