Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Ketten angeschlossen, als sie nach Dalroy gebracht wurde? Sie ist nun eben einmal eine Negerin, Philip, wenn du das auch vergessen zu haben scheinst.«
»Sie ist eine gefühlvolle, guterzogene Frau, selbst wenn du dich jetzt nicht daran erinnern willst. Und sie ist schwanger. Judith«, bat er sie, »du bist großmütig. Du hast Mitgefühl und Verständnis für andere. Ich will alles für dich tun, soweit es vernünftig ist. Aber ich schicke Angelique nicht den Fluß hinunter auf den Sklavenmarkt.«
Judith konnte vor Zorn kaum atmen. »Sklavenboote mögen kein Paradies sein, aber auch ich habe nicht im Himmel gelebt, nachdem du mir das angetan hast. Ich sage dir nur eins: Sorge dafür, daß sie von hier fortkommt.«
»Nein. Ich bin kein Barbar. Ein Mädchen wie Angelique, jeden Abend an die Wand geschlossen, der Willkür der afrikanischen Wilden und der niederträchtigen Bootsleute ausgesetzt, gezwungen, ihr Kind in einem Sklavenlager unten bei Neuorleans zur Welt zu bringen – warum verlangst du nicht gleich von mir, daß ich ihr den Hals abschneide? Dann ist alles vorbei.«
Judith rang die Hände. Sie setzte sich nieder und preßte sie gegen die schmerzende Stirn.
»Was willst du dann mit ihr anfangen?«
»Ich behalte sie bis zum nächsten Jahr hier. Wenn sie dann wieder gesund und kräftig ist, will ich sie einem Bekannten mitgeben, der nach Neuorleans reist. Sie soll dann als Zofe für eine Dame in einem anständigen Haus verkauft werden. Aber jetzt gebe ich sie nicht fort!«
»Auf keinen Fall dulde ich, daß das Kind hier in Ardeith geboren wird. Das kann ich nicht ertragen, Philip«, rief sie verzweifelt.
»Das tut mir leid, Judith«, erwiderte er leise, aber unerbittlich.
»Dann geh doch zu den spanischen Behörden und lasse sie frei.«
»Und was wird dann aus ihr? Eine Dirne, die sich auf den Docks herumtreibt! Etwas anderes bleibt für eine freigelassene Quarteronin nicht übrig. Nein, das geschieht nicht.«
Sie sprang auf. »Nun gut. Behalte sie hier. Sage mir auch noch, ich müßte ihr in christlicher Demut kalte Kompressen auf die Stirn legen, wenn sie Kopfschmerzen hat. Behalte sie doch dauernd hier, wenn du kein Boot finden kannst, das luxuriös und prächtig genug ist, um sie den Strom hinunterzubringen. Behalte sie als deine Geliebte.« Judith trat einen Schritt zurück. »Ich hoffe nur«, fügte sie gehässig hinzu, »daß du glücklich mit ihr lebst und sie dir jedes Jahr ein Kind schenkt, das viel schöner und klüger ist als meine Kinder. Aber es ist eine Schande, daß sie Nigger bleiben und nicht mit den meinen in guter Gesellschaft verkehren können.«
Philip ging erregt auf sie zu und schlug ihr ins Gesicht. Dann wandte er sich zur Tür. Als er die Klinke niederdrückte, sagte er über die Schulter:
»Ich wußte, daß ich dich eines Tages schlagen würde, wenn du nicht lerntest, den Mund zu halten. Ich bin froh, daß ich es getan habe.«
Judith stand erstarrt. Als die Tür sich schloß, faßte sie nach der brennenden Wange. Sie fühlte sie nur unbestimmt, als ob sie einem anderen gehörte, denn ihr ganzer Körper bebte vor blinder Wut. Sie sank neben einem Stuhl auf die Knie und begann zu weinen. Ein heftiges Schluchzen durchzitterte sie. Schließlich war sie zu Tode erschöpft, fühlte aber keine Entspannung. Jedes Gefühl in ihr war erstorben, nur ein namenloser Haß gegen die ganze Welt brannte in ihr.
Nach einiger Zeit erhob sie sich. Ihr Mund war trocken, ihre Zunge war geschwollen, und ihr Kopf schmerzte entsetzlich, aber trotz des Schmerzes konzentrierten sich ihre Gedanken auf einen plötzlichen Entschluß. Sie kleidete sich an und ging aus dem Hause. Mit schnellen Schritten eilte sie durch die Gärten und Indigofelder nach den Hütten der Schwarzen.
Nur selten ging sie allein auf die Felder hinaus. Die Neger drehten sich daher neugierig um, als sie näher kam. Ein Aufseher nahm den Hut ab und nickte.
»Guten Morgen, Madame. Können wir etwas für Sie tun?«
»Nein, danke«, erwiderte Judith. »Ich wollte nur einmal zu den Hütten der Neger gehen.«
»Jawohl, Madame. – He, du verfluchter Nigger, kannst du nicht geradepflügen? Und willst du wohl die Missis nicht durch deine Gafferei belästigen?«
Judith sah die Neger. Sie waren nackt bis auf ein kleines Lendentuch oder eine kurze Hose. Ihre schweißbedeckten Körper glänzten in der Sonne. Die helleren waren Ibus, die dunklen Kongoneger. In einer Hütte am äußersten Ende lebte eine alte Kongonegerin, die im
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