Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
Wudukult bewandert war. Sie war zu alt, um zu arbeiten, aber sie war weise und bereitete Zaubertränke und Medizinen. Selbst die klugen Haussklaven gingen zu ihr, holten ihren Rat ein und gebrauchten ihre Mittel.
Judith verließ die Indigofelder und ging über den unebenen Weg zu den Hütten. Die alte Frau, die so viel verstand, wußte vielleicht auch ein Mittel, um sie aus ihrer verzweifelten Lage zu befreien. Judith fühlte sich so entehrt und verhöhnt, daß sie die Greisin auf Knien bitten wollte, ihr zu helfen.
12
P hilip ging an diesem Abend nicht in ihr Zimmer. Er war noch zu empört, als daß er wieder mit ihr hätte sprechen können. Am nächsten Morgen ritt er zeitig fort und war froh, daß er sich dem Hause fernhalten konnte. Aber die Sonne brannte heiß, und am Nachmittag kam er zurück.
Niemand war vor dem Hause, um sein Pferd fortzuführen. Er stieg ab und warf ärgerlich die Zügel über den niedrigen Ast einer immergrünen Eiche. Keiner der Sklaven war auf dem Posten, sobald Judith sich einmal nicht sehen ließ!
Aber als er über die Schwelle der Haustür trat, fühlte er, daß irgend etwas hier nicht stimmte. Die Mädchen gingen verstört umher, und als er den Gang hinunterging, sah er Christine, die in Judiths Zimmer stürzte. Die Amme kam heraus, als sie die Tür öffnete, und eilte zu der hinteren Veranda, wo David und Christoph in Streit geraten waren. Sie brachte sie ins Freie und gebot ihnen, sich ganz ruhig zu verhalten, weil ihre Mutter krank sei. Betroffen wandte Philip sich zu Judiths Zimmer, als er Angelique auf sich zukommen sah. Sie hätte nicht hier sein sollen. Er hatte ihr doch gesagt, sie solle dem Hause fernbleiben, damit Judith sie nicht zu sehen bekäme.
Angelique trat schnell auf ihn zu und hielt ihn an.
»Ach!« rief sie atemlos. »Ich bin so froh, daß Sie gekommen sind. Vielleicht sollten Sie zu ihr gehen.«
»Was ist denn geschehen?« fragte Philip erschreckt. »Ist sie krank, Angelique?«
Sie nickte und legte die Hand über die Augen. »Ich fürchte, sie wird sterben.«
Philip packte sie an den Armen. »Sterben? Wer? Judith? Geh aus dem Weg, Angelique! Laß mich hinein.«
»Nein, warten Sie noch einen Augenblick, bis ich alles gesagt habe. Diese böse, alte Kongonegerin! Sie wissen, wen ich meine. Sie haben sie damals gekauft, weil Sie auch all ihre Kinder kauften. Die macht Zauberarzneien für die Schwarzen auf dem Felde – Miß Judith hätte es besser wissen sollen!«
Angeliques Stimme versagte. Philip hielt sie immer noch an den Armen. Ihre schönen Züge waren von Schmerz und Kummer entstellt. »Sie wußten ja nicht, daß sie wieder ein Kind bekommt. Sie hat sich einen Zauber von der Frau geholt, weil sie es loswerden wollte!«
Tagelang wanderte Philip im Hause umher, hilflos und gequält von Gewissensbissen. Er ordnete an, daß jeder Sklave auf der Pflanzung, der sich ein Mittel bei der alten Negerin holte, dreißig Peitschenhiebe bekommen sollte. Aber wenn er auch diesen wütenden Befehl gab, konnte er doch sonst nichts tun. Verzweifelt beobachtete er Judith und betete zu Gott, an dessen Existenz er eigentlich nicht glaubte, sie genesen zu lassen. Jetzt fürchtete er den Anblick Angeliques beinahe ebensosehr wie seine Frau, obgleich er Judiths Bitte, Angelique an einen Sklavenhändler zu verkaufen, noch immer nicht erfüllen wollte.
Aber er dachte kaum an Angelique oder an irgend etwas anderes. Nur ein Gedanke erfüllte ihn: ob Judith wieder gesunden würde. Ob sie ihr Kind zur Welt bringen würde oder nicht, war ihm im Augenblick gleichgültig, und er war weder froh noch traurig, als man ihm sagte, daß der Abtreibungsversuch nicht geglückt sei.
Judiths Freundinnen kamen und brachten Arme voll Rosen, Kallalilien und Leckerbissen, die Judith nicht essen konnte. Sie hätten gehört, daß Judith schwer krank sei, sagten sie und fragten, ob sie etwas für sie tun könnten. Philip dankte ihnen kurz und verneinte es. Gervaise ließ er einige Zeit bleiben, denn Judith schien ihre Gesellschaft angenehm zu empfinden.
Mit ruhiger Selbstverständlichkeit nahm sich Gervaise des Haushalts an und brachte alles wieder ins Geleise. Sie plauderte leicht und gefällig von den Ereignissen in der Umgebung, die sie eher als andere zu erfahren schien. Aber mit keinem Wort deutete sie an, ob sie den wahren Grund von Judiths Krankheit wüßte. Obwohl Philip es für unmöglich hielt, daß sie die Ursache nicht kannte, war er doch dankbar für ihr taktvolles
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