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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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wie eine rostige Kette. »Sie starb im letzten Sommer, weil ich ihr die Milch nicht kühl halten konnte. Wie fühlt man sich eigentlich dabei, Corrie May, wenn man Kinder umbringt?«
    Corrie May schüttelte langsam den Kopf. »Ich habe niemals Kinder umgebracht. Ich wußte nicht, daß Ihnen ein kleines Kind gestorben ist. Ich wußte nicht einmal, daß Sie überhaupt ein Mädchen hatten.«
    »Als du das ganze Eis in der Stadt zusammenkauftest – sagtest du dir nicht, daß es vielleicht die kleinen Kinder nötig brauchten? Sie schrien damals vor Hunger nach unverdorbener Nahrung; das Wetter war grauenvoll. Du zogst dir den Firlefanz auf den Leib, für den wir bis zum Weißbluten bezahlen mußten. Du mit deiner Seide und den Pfauenfedern und den Champagnerflaschen in den Kühlern, voll von Eis, ganz voll von Eis –!« Ann legte den Rücken ihrer Hand an die Stirn und ballte die Finger langsam zur Faust. »Oh, du hast dich wunderbar amüsiert, und meine kleine Virginia starb dabei. Und jetzt hast du die Frechheit, hier einzudringen und mich um Essen anzubetteln!« Sie fing an zu lachen. Das Gelächter war gräßlich anzuhören; über Corrie Mays Haut flog eine Gänsehaut. Ann beugte sich über den Tisch, griff nach dem Teller, auf dem die Semmeln gelegen hatten, und warf ihn in weitem Bogen zum Fenster hinaus. Draußen zerbrach er klirrend, als er den Boden berührte. »Mach, daß du hinauskommst!« schrie Ann. »Wenn du verhungerst, geschieht's dir recht!«
    Einen Augenblick lang blickten sich die beiden Frauen über den Küchentisch hinweg in die Augen. Dann fand Corrie May ihre Sprache wieder. Sie faßte die Lehne des Stuhls, der vor ihr stand. Sie brauchte nicht zu überlegen; sie sprach klar und deutlich; die Worte schienen alle in ihr bereit zu liegen, als wären sie schon lange aufgestaut und brauchten bloß entbunden zu werden.
    »Verhungern soll ich? Wenn ich auf Ihre frommen Wünsche hätte warten wollen, dann wär' ich schon vor Jahren verhungert, und Sie hätten nicht eine Minute schlechter deswegen geschlafen.« Ihr Nacken wurde steif, während sie sprach, als hätte ihr einer einen Ladestock durchs Rückgrat gezogen. »Ich habe nichts davon gewußt, daß Ihr kleines Mädchen gestorben ist; es tut mir leid, daß es tot ist. Aber ich kann nichts dafür! Ebenso wie Sie nichts dafür können, daß mir die Soldaten meinen Budge Foster erschossen haben, weil er nicht für Ihre Schlösser und Sklaven, Mrs. Larne, in den Krieg ziehen wollte!«
    Ann hörte ihr wohl oder übel zu, wütend und erstaunt zugleich. Als Corrie May innehielt, um Atem zu holen, fragte sie dazwischen: »Wer ist Foster? Ich habe niemals von ihm gehört.«
    Jetzt war die Reihe, grell herauszulachen, an Corrie May. Sie lachte die Gegnerin aus; sie gewann die Oberhand.
    »Nichts von ihm gehört, was? Natürlich nicht! Auf dieser Welt scheinen viele Dinge zu passieren, von denen wir nichts wissen; und trotzdem sind wir schuld an ihnen, trotzdem! Oh, ich kann Ihre Redensarten nicht mehr mit anhören!« schrie sie. »Sie mit Ihrer vornehmen Sprechweise und Ihrem süßen Benehmen! Sie waren zu Ihrem Ehemann recht nett und freundlich und zu Ihren Kindern dazu, und die älteren Herrschaften wurden mit Respekt behandelt; Sie hatten überhaupt ein angenehmes Wesen, und Sie glaubten, mehr wäre nicht nötig, und die ganze Welt liefe dann nach Ihrem Wunsch. Aber das ist Ihnen wohl nie in den Sinn gekommen: daß manchmal die Leute abtreten müssen, die lange das große Wort geführt haben. Und zu diesen Leuten, die heute zu verschwinden haben, gehören Sie, ob Sie wollen oder nicht!« Sie unterbrach sich. Ob Ann ihr zuhörte oder nicht, war schwer zu sagen. Doch die Herrin von Ardeith starrte der ehemaligen Geliebten des abhanden geratenen Gilday mit so unheimlicher Wut in die Augen, daß sie wohl verstanden haben mußte. Corrie May holte noch einmal aus:
    »Ihnen geht es schlecht, und mir geht es schlecht! Ob Sie es verdient haben oder ob Sie es nicht verdient haben – was frage ich danach! Mich kümmert nur, wie ich selber fertig werde! Daß ich verhungern soll, das können Sie mir ja an den Hals wünschen. Aber ich denke nicht daran, Ihnen den Gefallen zu tun! Sie, mit Ihren Adern voll von blauem Blut und Spülwasser! Ihnen will ich mal was sagen: wenn einer aus dieser Küche verhungern wird – ich bin es bestimmt nicht, ich nicht!«
    Ann war hinter dem Tisch auf einen Stuhl gesunken. Als wenn sie gewürgt würde, so heiser flüsterte sie:

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