Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
»Leg dich nur wieder hin und schlaf dich richtig aus!«
Als Corrie May wieder erwachte, graute der Morgen. Sie streckte sich noch einmal behaglich aus. Sie hatte in ihren Kleidern geschlafen; nur die Schuhe standen neben ihrer Matratze; irgendwer hatte sie ihr ausgezogen, während sie schlief. Sie fühlte sich wunderbar wohl. Als sie sich zur Seite wandte, stellte sie fest, daß sie die Nacht neben zwei wohlgenährten schokoladenbraunen Negerlein verbracht hatte. Sie vernahm, wie nackte Füße über den Flur schlurften; einen Augenblick später tauchte Liza vor dem Lager auf, in ein Nachtgewand aus blaugewürfeltem Schürzenstoff höchst umfangreich gekleidet. »Na, wie fühlst du dich, Kindchen?«
»Gut!« erwiderte Corrie May. Sie griff nach ihren Schuhen auf dem Fußboden. »Ich helfe dir, Frühstück machen.«
Liza grinste stolz und breit: »Zuerst muß der hier sein Frühstück bekommen.« Sie hob den kleineren der beiden Nachtgefährten Corrie Mays empor, grub aus dem Halsausschnitt ihres Hemdes eine Brust hervor, gewaltig strotzend, und meinte: »Du mein lieber Himmel, diese Neugeborenen haben einen Hunger –!«
»Wo steht dein Frühstücksgeschirr?« erkundigte sich Corrie May.
»Feuer hab' ich schon angezündet«, sagte Liza, »der Kaffeetopf steht auf dem Brett über dem Herd.«
Corrie May hatte keine Zeit, niederzuknien, um zu beten. Aber als sie den Wasserkessel aufstellte, hielt sie inne für ein paar Atemzüge lang. Sie preßte ihre Hände vor die Augen und wisperte: »Ich danke dir, lieber Vater im Himmel, ich danke dir!«
II
F reds Baumwollernte ließ sich günstig an. Er hatte seine Äcker auf einer Steuerversteigerung erworben und noch einiges abzuzahlen. Eine große Plantage wär' es gerade nicht, erzählte er Corrie May, aber genug Arbeit für ein Maultier; er und Liza hatten ihr vergangenes Leben lang als Ackersklaven auf einer Pflanzung unweit Vicksburg gearbeitet; es fiel ihnen also nicht schwer, sich jetzt mit dieser kleinen Baumwollfarm ihr Brot zu verdienen. Das ganze Land um Vicksburg, jedes Haus und jeden Hof, hatten die Yankees bei den erbitterten Kämpfen um die Stadt verbrannt und zerstört. So waren Fred und Liza, als auch ihre Heimat in Flammen aufging, südwärts gewandert und hatten sich nun mit ihren sieben Kindern hier in Louisiana am Mississippi niedergelassen. Vier der Kinder halfen schon den Eltern auf dem Acker; so kamen sie recht gut voran.
Corrie May machte sich nützlich, soviel sie konnte. Fred und Liza waren weiter freundlich zu Corrie May und quälten sie nicht mit dummen Fragen; was sie nichts anging, das ließen sie auf sich beruhen. Corrie May gelangte allmählich zu der Einsicht, daß sie bisher die Schwarzen völlig falsch beurteilt hatte; noch nie, so schien es ihr, war sie Menschen begegnet, die ein so gutes und freundliches Herz besaßen wie ihre dunkelhäutigen Retter.
Als Corrie May ihr Kind zur Welt brachte, ließ Liza ihren Mann allein aufs Feld zur Arbeit gehen. Sie blieb daheim, der Gebärenden beizustehen. Liza zeigte ihr das winzige rote Wesen, in ein Stück sauberes Leinen gewickelt; Corrie May flüsterte: »Du bist so gut zu mir, Liza. Vergiß das nicht: ich will immer für dich beten!«
»Ach was!« sagte Liza. »Jetzt hast du einen schönen großen Jungen! Für den mußt du jetzt beten!«
Corrie May schloß gehorsam die Augen und schickte ihr Gebet zum Himmel: »Bitte, lieber Gott, laß mein Kind aufwachsen und ein guter Mensch werden! Laß es so gut werden wie Fred und Liza!« Und dann fügte sie noch ein Gebet hinzu, weil sie auch eine Weiße war: »Bitte, lieber Gott, steh ihm bei, daß er es zu etwas bringt im Leben, daß er immer schöne Kleider hat zum Anziehen und die Leute ihn höflich grüßen auf der Straße und Achtung vor ihm haben, wenn sie mit ihm sprechen.«
Corrie May lag mit geschlossenen Augen und ruhte. Aber Liza war gar zu neugierig; sie wollte unbedingt erfahren, wie das Neugeborene heißen sollte. Die Pickaninnies waren von der Arbeit heimgekehrt und wollten zum Wohle des neuen weißen Knäbleins eine gute Tasse Kaffee trinken. Corrie May drückte das kleine weiße Bündel in dem Leinentuch fest an ihr Herz:
»Er soll Fred heißen!«
Der Mund blieb Liza vor Erstaunen offenstehen. »Fred? Fred, nach meinem Manne?«
»Ja, Fred, nach deinem Mann!« bekräftigte Corrie May. »Mein Junge heißt Fred Upjohn. Fred nach deinem Mann und Upjohn nach mir.«
Liza wollte sich schier ausschütten vor Lachen. Sie fühlte sich
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