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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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»Lieber Gott im Himmel, machen Sie doch endlich, daß Sie hinauskommen!«
    »Jawohl!« schrie Corrie May. »Jetzt gehe ich.«
    Aber in der Tür blieb sie noch einmal stehen und blickte sich um. Ann schien geschlagen; sie war so bleich wie der Tod; ganz von ferne spürte Corrie May ein wenig Mitleid. Sie sagte ruhiger:
    »Madame, daß Ihr kleines Mädchen gestorben ist – es tut mir wirklich leid! Es ist eine Schande, wenn einer immer alles bekommt, was er haben will – wird es ihm dann eines schönen Tages genommen, so ist er aufgeschmissen und weiß nicht, was er machen soll. Und wenn wieder einmal ein heißer Sommer kommt, und Sie kriegen Angst wegen Ihres kleinen Denis, nachdem Sie Ihr zweites Kind schon verloren haben, so will ich Ihnen für diesen Fall einen guten Rat geben: wir armen Leute haben nie Eis gehabt; deswegen sind unsre Kinder doch nicht gestorben. Man stellt die Milch in einen Eimer mit einem Deckel, der dicht schließt, und läßt den Eimer an einem Strick in den Brunnen hinunter; sie bleibt dann so frisch, als wäre sie in Eis aufbewahrt.«

Dreizehntes Kapitel
I
    A rdeith lag schon lange hinter ihr; Corrie May wanderte weiter und weiter und weiter. Die Straße wand sich zwischen den Feldern hin, von moosverhangenen Eichen beschattet, gewaltigen und unwandelbaren Bäumen, die wesenhaft dem großen Strom glichen. Längst wußte Corrie May nicht mehr, wohin sie eigentlich unterwegs war. Sie wagte nicht, sich auszuruhen; wenn sie sich niedersetzte, würde sie nicht wieder aufstehen können; das wußte sie dumpf. Der wilde Ausbruch in der Küche von Ardeith hatte sie, aller Kraft beraubt, auf die Straße entlassen. Klar zu denken war zu einer unlösbar harten Aufgabe geworden; nur ein einziger, stumpf bohrender Gedanke beherrschte sie noch: weiter muß ich, weiter!
    Sie war sich selbst so schwer! Der Leib lastete ihr auf den Beinen und zerrte sie rückwärts. Über ihrem Haupte wehten die grauen Fahnen des Mooses auf und ab, und unablässig wisperte der Wind in den Blättern. Ein wiegender Rhythmus beherrschte den Wind und das Moos und auch ihre Schritte. Sie schwankte auf ihren Beinen, drohten sie doch ständig unter ihr wegzusacken. Und auch vor ihr die Straße fing zu schwanken an; sie glitt schleichend fort nach links, nach rechts, nach links, nach rechts. Und sie wurde in dies Gleiten hineingezogen zur Linken der Straße nun und nun zur Rechten. Sie versuchte zu widerstehen; der Sog war stärker; die Straße schwankte fort und fort. Und alle Dinge schwankten hin und wider, im Takt mit leisem Laut. Sie setzte ihren Fuß zu Boden und fühlte, wie sie schwankte. Sie setzte ihren anderen Fuß zur Erde und schwankte her mit ihrer Last, her und wieder hin. Gradaus zu sehen, das vermochte sie nicht mehr. Das Moos an den Zweigen schwankte, die Straße schwankte, und die Bäume schwankten mit. Ihre Knie gaben nach. Sie sank zu Boden, die Augen geschlossen – aber immer noch schwankte sie weiter, und die ganze Welt dazu, von der sie nichts mehr sehen konnte. Mit beiden Händen krallte sie sich in den Boden, um sich festzuhalten. Und auch die alte Erde ruhte nicht mehr fest; sie schwankte mit im gleichen Augenblick.
    Aus dem Dunkel drang an ihr Ohr eine schläfrige Negerstimme.
    »Da hol mir doch dieser und jener, Liza! Ein weißes Mädchen! Sieh dir das an!«
    Nackte Füße ließen den Boden leise dröhnen, eine Frauenstimme antwortete: »Na, Fred, sie wird nichts weiter als besoffen sein. Hast nicht gesehen, wie sie die Straße entlanggewackelt kam?«
    »Besoffen? Um diese Tageszeit?«
    »Gibt genug Leute, die schon am hellichten Tage sich einen antrinken. Du merkst auch gar nichts, du mit deinem dicken, leeren Schädelkasten! Hast denn nicht gesehen, wie sie immer von einer Seite auf die andere gestolpert ist?«
    Corrie May spürte Hände an ihrem Leib, die sie auf den Rücken drehten; sie schlug die Augen auf. Zwei glänzendschwarze Gesichter neigten sich über sie, gutmütig grinsend. Ihr war, als nähme sie die dunklen Köpfe nur wie durch einen Schleier wahr; die Umrisse blieben unscharf. Sie brachte schließlich heraus:
    »Ich bin nicht betrunken.«
    Seltsam zärtlich schimmerten des Weibes Augen auf: »Mein Gott, Fred, sie bekommt ein Kind!« Die schwarze Samariterin schob ihre Arme unter Corrie Mays Schultern: »Kannst nicht mehr laufen, Kindchen?«
    Mit großer Anstrengung schüttelte Corrie May ihr Haupt: »Nein, laufen kann ich nicht mehr.«
    »Wo willst du denn hin?« fragte

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