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Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße

Titel: Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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verbreiteten sich wie Schnürsenkel über das Schneidebrett. Ein Teller neben ihr hatte mit einigen alten Semmeln Fliegen angelockt. Ein paar Atemzüge lang nahm Corrie May das Bild in sich auf: Anns Gesicht unschön gerötet von der Hitze des Herdes; das Haar war ihr in feuchten Strähnen in die Stirn gerutscht. Sie trug ein Kleid, dessen Stoff einst mit einem Druckmuster geschmückt gewesen war; aber nun war es so verschossen, daß man es nicht mehr erkennen konnte; im Nacken war ein Knopf verlorengegangen; da hielt eine Nadel den Stoff zusammen. Und sie schnitt Kohl zum Abend auf – Sklavenfraß!
    Ann wurde des Schattens inne, der von der Tür her in die Küche fiel; sie hob ihren Kopf verwundert.
    Corrie May tat einen Schritt vorwärts: »Madame, erkennen Sie mich nicht?«
    Ann legte das Messer nieder und erhob sich: »Corrie – May – Upjohn!« brachte sie mit rauher Stimme heraus. »Was willst du? Wer hat dich hereingelassen?«
    »Miß Cynthia!« erwiderte Corrie May. »Ich wollte Sie sprechen!« Sie hatte vorgehabt, ehrerbietig und anständig um Arbeit zu fragen – nun stieg ihr der Geruch des Kohls in die Nase; auf dem Tisch standen die Semmeln; hinter der Gazetür eines Speiseschrankes lockte eine Schale mit saurer Milch, ein Stück gekochtes Schweinefleisch und ein ganz kleiner Berg von Apfelsinen. Der Kopf wurde ihr mit einem Male sonderbar leicht, ihr Magen krampfte sich wild zusammen, sie sank auf einen Stuhl neben dem Küchentisch und stöhnte: »Madame, um Gottes Gnade und Barmherzigkeit willen, geben Sie mir etwas zu essen!«
    Ann schritt langsam um den Tisch herum. Als sie zu sprechen anhub, war ihre Stimme dünn vor bösem Erstaunen: »Soll das bedeuten, daß du hungrig bist?«
    Corrie May nickte: »Seit gestern habe ich nichts zu essen gehabt; nur ein paar Abfälle aus einer Mülltonne.« Sie hatte die Ellbogen auf den Tisch gestützt und ihre plötzlich feuchte Stirn in die Hände gelehnt.
    Schweigen folgte. Es lastete so lange, daß Corrie Mays Kopf wieder klar wurde, ihr Magen sich beruhigte und sie Kraft fand, aufzublicken. Ann war neben dem Küchentisch geblieben, schaute auf die Besucherin hinab, ohne ein Glied zu rühren. Auf einem Schemel zur Seite stand ein Wassereimer; der Stiel einer Schöpfkelle überragte seinen Rand. Corrie May fragte:
    »Bitte, Madame, geben Sie mir einen Schluck Wasser!«
    Ann blieb bewegungslos und gab keine Antwort; Corrie May nahm das Schweigen als Erlaubnis, trat zu dem Eimer, führte den vollen Schöpfer zum Mund und trank. Danach fühlte sie sich besser. Sie wandte sich wieder um. Anns Augen waren ihr gefolgt. Corrie May nahm abermals das Wort:
    »Madame, ich glaube, ich habe mich damals wie eine Verrückte benommen. Was ich aber jetzt sagen wollte: ich möchte so gern wieder zu Ihnen kommen und für Sie arbeiten. Wenn Sie mir kein Geld geben können, das macht nichts! Ich will arbeiten, so gut ich kann, für mein Essen, für weiter nichts. Alles auf der Welt will ich für Sie tun, wenn Sie mir nur eine von den Semmeln dort zu essen geben.«
    Ann regte sich noch immer nicht. Corrie May vermochte der Versuchung nicht mehr zu widerstehen; sie streckte ihre Hand aus, griff nach einer der Semmeln und begann zu essen.
    Ann beobachtete sie und fragte dann mit seltsam klangloser Stimme:
    »Du bekommst ein Kind, nicht wahr?«
    »Ja, Madame!« Corrie May setzte den Teller auf den Tisch zurück und schluckte den letzten Bissen hinunter. Ann fuhr fort:
    »Und dieser widerliche Gilday hat dich hinausgeworfen, nicht wahr? Das hättest du vorher wissen sollen!«
    Corrie May wischte sich an ihrem Rock die Hände ab. »Ja, Madame, das hätte ich wohl! Ich habe bloß nicht darüber nachgedacht. Und nun …«
    Ein sonderbares kleines Lächeln flog über Anns Gesicht, als Corrie May zögerte und nicht weiterwußte. Anns Stimme sank fast zu Flüstertönen: »Jetzt wirst du also auch ein Kind bekommen und kannst dir dann vorstellen, wie es ist, wenn es vor den eigenen Augen am Fieber verbrennt – und man kann nichts dazu tun – die Sommerhitze hat die Nahrung verdorben, und das Kind hat sich daran vergiftet …« Sie zog den Atem ein; es klang wie ein trockenes Schluchzen. »Und andere Leute beschlagnahmen zur gleichen Zeit das ganze Eis, das ihm das Leben retten könnte, und kühlen damit den Schnaps für ihre betrunkenen Gäste …«
    Corrie May riß die Augen auf: »Aber, Madame, wovon reden Sie?«
    »Ich rede von meiner kleinen Tochter.« Anns Stimme rasselte

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