Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Liza.
»Ach, nirgend wohin!«
»Hast du keinen Ort, wo du wohnst?«
»Nein, keinen!« Corrie May versuchte krampfhaft, sich aufzurichten; sie preßte die Fäuste hinter sich auf den Boden. »Wenn ich nur einen Bissen zu essen hätte«, murmelte sie, »dann käme ich vielleicht wieder auf die Füße. Ich weiß es nicht.«
»Du armes, armes Kindchen!« sagte Liza sanft.
Corrie May wandte sich an Fred: »Hast du nicht vielleicht eine Hütte irgendwo?«
»Ja, schon«, erwiderte Fred zweiflerisch. »Aber ein Platz für weiße Leute ist das nicht.«
Corrie May brachte es endlich fertig, sich aufzurichten. Die Welt hatte aufgehört, um sie herum zu schwanken. Sie versuchte eine schüchterne Frage: »Ich will mich auch ganz ordentlich benehmen und im Hause helfen und im Garten und was sonst noch ist – könntet ihr nicht so tun, als ob ich gar nicht weiß wäre?«
Die beiden Schwarzen sahen einander an und blickten dann auf Corrie May hernieder. »Ach, du armes Kindchen!« flüsterte Liza abermals.
Das Negerpaar hatte noch dies und das zu bereden. Corrie May hörte nicht hin. Sie war nicht dazu fähig. Aber sie fühlte schließlich, wie Freds Arme sie aufhoben; dann lag sie auf dem hölzernen Boden eines Wagenkastens; ihr Haupt ruhte in Lizas breitem Schoß. Der Wagen rollte von der Hauptstraße fort auf einen Seitenweg in die Felder hinein. Liza hielt Corrie May fest im Arm, als das klobige Gefährt über den holprigen Grund zu rumpeln begann. Das nächste, was sie spürte, war: sie wurde aus dem Wagen gehoben und in eine kleine weißgekalkte Hütte getragen; Fred trieb die Meute seiner schwarzen Sprößlinge ins Feld hinaus; sie hätten nicht vor der Tür herumzulungern und Maulaffen feilzuhalten. Dann breitete Fred eine Matratze neben der mit Lehm beworfenen Stubenwand aus. Liza richtete die Kranke auf und bot ihr ein Stück fetten Schinken an. »Hier, das wird dich wieder auf die Beine bringen!« sagte sie.
Corrie May aß das fette Fleisch herunter und saugte dann die Schwarte aus. Liza brachte ihr eine große Tasse heißen Kaffee.
»Nun trink mir noch dies hier, Kindchen! Ich hab' dir einen schönen Kaffee gekocht.«
Corrie May schlürfte gierig. »Bestimmt ein schöner Kaffee!« murmelte sie. Es war schon lange her, daß sie Kaffee wie diesen getrunken hatte: stark und heiß und erfrischend. Sie blickte über den dicken Topf zu Liza hinüber und lächelte: »Ich merk' schon, was schöner Kaffee ist, wenn ich einen zu trinken kriege.«
Liza grinste befriedigt, als sie ihr Gebräu so loben hörte. »Geht's dir jetzt ein wenig besser?«
Corrie May nickte. Abwechselnd lutschte sie an der Schinkenschwarte und schlürfte den Kaffee; dabei lächelte sie den staunenden Negerlein zu, die sich in allen Größen um ihr Lager versammelt hatten und sie mit offenem Munde anstarrten. »Du hast einen Haufen Kinder, bestimmt!« bemerkte sie zu Liza.
»Sieben Stück«, entgegnete Liza stolz. Sie wiegte sich vergnügt in einem Schaukelstuhl, aus Zuckerrohr geflochten. »Dir fehlt weiter gar nichts«, fügte sie hinzu. »Bei meiner Seele, krank bist du nicht gewesen, bloß verhungert!«
»Das mag wohl stimmen«, gab Corrie May zu. Sie hob ihre Beine von dem niedrigen Lager herunter, kniete sich auf den Fußboden und legte ihren Arm um Lizas füllige Hüften. »Du bist ein guter Christenmensch«, sagte sie. »Du wirst in den Himmel kommen, wenn du einmal gestorben bist.«
»Da bete ich auch immer drum, zu unserem Herrn und Heiland, Kindchen«, sagte Liza.
»Und ich will auch jeden Tag dafür beten, solange ich noch am Leben bin«, versprach Corrie May.
Sie ließ ihr Haupt in Lizas Schoß sinken. »Oh, bitte, laß mich bei euch bleiben! Ich werde keinen Ärger machen. Wenn ich erst wieder ausgeschlafen bin und mich ein bißchen aufgefüttert habe, dann komm' ich auch wieder in Ordnung und kann für euch arbeiten. Ich will euch bei eurer Baumwolle helfen oder auf die Kinder aufpassen, wenn ihr aufs Feld zur Arbeit geht. Ich möchte bei euch bleiben!«
Liza faßte Corrie Mays Kopf in ihre beiden schwarzen Hände und blickte ihr verwundert in die Augen. »Aber, Liebchen, du kannst doch nicht bei uns bleiben. Du bist doch weiß. Und dein Kind wird doch auch weiß sein.«
»Ach, Liza, du bist ein besserer Christ als alle weißen Frauen, die ich kenne«, bettelte Corrie May. »Wenn mein Kind ein so guter Mensch wird wie du, dann will ich dem lieben Gott auf den Knien danken. Laß mich doch bei euch bleiben!«
Liza sagte:
Weitere Kostenlose Bücher