Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Eisenstäbe und blickte in den Park. Am anderen Ende der Eichenallee erhob sich das stolze Haus der Larnes; seine weißen Säulenreihen schimmerten durch das lang herabwallende Moos der Bäume wie seit je; aber zwischen dem Haus und dem hohen Zaun war das Unkraut wie ein Dickicht aufgeschossen; schulterhoch an manchen Stellen. Die Allee bahnte sich als letzte Gasse durch die grünen Wände; auch auf ihr wucherte zwischen den Wagengeleisen das Gras. Ein weißes und ein schwarzes Knäbchen ließen im kühlenden Schatten des Fahrwegs einen Ball von einem zum anderen springen. Der kleine Weiße konnte niemand anders als Denis Larne sein. Wenn das mein Sohn wäre, dachte Corrie May, so ließe ich ihn Unkraut jäten anstatt Ball zu spielen. Die vornehmen Leute nehmen anscheinend niemals Verstand an – selbst dann nicht, wenn sie verarmt sind. Wahrscheinlich war in Ann Larnes Hirn noch nie der Gedanke aufgeblitzt, daß ein gesunder Junge dazu angehalten werden muß, nützliche Arbeit zu leisten.
Das Negerlein verfehlte den Ball; er rollte in der Wagenspur bis vor das hohe Tor. Die Kinder rannten ihm nach. Denis bekam ihn als erster zu fassen und schleuderte ihn den Weg entlang zurück. Corrie May rief ihn an: »Bitte, kleiner Denis!«
Der Knabe wandte sich dem Tore zu und sah die fremde Frau durch die Gitter.
»Komm einen Augenblick her, bitte!«
Er lief herzu.
»Ja, Madame!«
»Du bist der kleine Denis Larne, nicht wahr?« erkundigte sie sich.
»Ja, Madame!« antwortete er höflich. »Ich bin Denis Larne!«
»Könntest du mich, bitte, hereinlassen?« fragte Corrie May. »Ich habe mit deiner Mutter einiges zu besprechen.«
»Es tut mir leid, Madame, aber ich habe den Torschlüssel nicht bei mir; den hat meine Mutter.« Seine Aussprache war klar und genau, und der Tonfall seiner Worte klang dem Ohre angenehm; Corrie May kannte ihn; schon vor dem Kriege hatte er ihren Neid erweckt. »Meine Mutter ist in der Küche, an der Hinterseite des Hauses«, sagte Denis. »Wenn Sie außen zur Hintertür gehen, wird meine Mutter Sie einlassen.«
»Na schön!« sagte Corrie May mißmutig. Sie machte sich auf den Weg; der Ärger ließ sie ihre Müdigkeit beinahe vergessen. Der kleine Lord mit seinen musterhaften Silben – und das Unkraut rings ums Haus! Das sah ihr ähnlich: vornehme Manieren, ja, aber keinen Funken Verstand!
Die weiten Rasenflächen hinter dem Hause waren in einen Gemüsegarten verwandelt; ein junges Mädchen arbeitete darin; sie richtete ein Gerüst von Bohnenstangen auf und befestigte daran die Ranken der Pflanzen. Neben der Küchentür stand eine Waschwanne; die Wäsche hing an einer Leine zwischen zwei Feigenbäumen zum Trocknen.
»Bitte, Fräulein!« rief Corrie May.
Die Gärtnerin streckte ihren Rücken gerade und kam zum Tor geschritten. Die hager aufgeschossene Person trug das Haar zu einem schwarzen, festen Knoten im Nacken zusammengefaßt. Gekleidet war sie in ein altes, blaues Baumwollfähnchen, gestopft unter den Achseln. Noch nie glaubte Corrie May ein so scharfes Gesicht gesehen zu haben wie dieses. Die ist niederträchtig! – das war Corrie Mays erster Eindruck.
»Was wünschen Sie?« fragte das Mädchen, als es das Tor erreicht hatte.
»Ich möchte gern Mrs. Larne sprechen«, sagte Corrie May. »Würden Sie mir wohl das Tor aufmachen!«
»Was wollen Sie von ihr?«
»Bitte, Madame, ich wollte sie um Arbeit fragen.«
»Soviel ich weiß, haben wir keine Arbeit zu vergeben.« Das Mädchen sprach kurz angebunden; sie war es wohl gewohnt, Arbeitsuchende abzulehnen.
»Bitte, Madame, ich möchte mit ihr sprechen«, drängte Corrie May – sie hatte sich ja vorgenommen, die Unterwürfige zu spielen. »Ich brauche entsetzlich nötig Arbeit. Bitte, lassen Sie mich selbst bei ihr nachfragen.«
»Also meinetwegen!« Das Mädchen zog einen Schlüssel aus der Tasche und öffnete das Tor. Daß ein so junges Mädchen mit so verbittertem Gesicht in die Welt blickte, beunruhigte Corrie May. Sie entsann sich des Tages, an dem die Truppen ausmarschierten – wie die Kutsche aus Ardeith vorfuhr, ein elegantes Kind in seinem Kleide aus getüpfeltem Musselin ausstieg, zu einem tiefen Knicks zusammensank und murmelte: »Guten Morgen, Onkel Alan!«
Das Mädchen, das Corrie May vor sich sah, konnte nur Miß Cynthia Larne sein.
Corrie May ging zur Tür des Küchenhauses hinunter; sie stand offen. Im Herde brannte ein Feuer; am Tisch stand Ann und schnitt einen Kohlkopf in schmale Streifen; sie
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