Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
Erfrischungen feilgehalten wurden. Mit großartiger Geste bestellte er zwei Glas Eislimonade. »Und ich will nur frisch ausgedrückte Zitronen dazu haben!« wies er den Händler an. Corrie May war ihm erstaunt über die Straße gefolgt. Nie war sie gut genug bei Kasse gewesen, sich solche Leckereien zu erlauben – von dem einen Jahr abgesehen, das sie mit Gilday verbracht hatte. Sie machte große Augen, als Fred einen Dollarschein auf den Tisch flattern ließ; sie zählte selbst das Wechselgeld nach und steckte es ein. Fred grinste, als er ihr das Glas reichte.
»Schmeckt gut, was?« erklärte er. Er hatte den Wäschekorb neben sich auf die Erde gestellt. Sie nickte: »Du sollst aber dein Geld nicht so zum Fenster hinauswerfen. Du mußt dir Kleider kaufen, Hemd und Hosen. Das Zeug, das du auf dem Leibe hast, das gibt ja nicht einmal mehr Scheuerlappen.«
»Kleider? Ja, die werd' ich mir schon kaufen.« Corrie May merkte plötzlich, daß sie zu ihm aufblicken mußte, wenn sie ihn ansprechen wollte. Fred bohrte seine Zehen in den Boden: »Und – dann – Mama …«, fing er zögernd an.
»Was denn?« fragte sie ein wenig besorgt.
Eine leichte Röte stieg Fred in die Stirn. Er stotterte: »Und was ich noch sagen wollte: du sollst dir auch ein neues Kleid kaufen. Hier hast du das Geld!« Er kramte einen Fünfdollarschein aus der Tasche und reichte ihn ihr.
»Fred, hast du was angestellt?« Sie packte ihn ängstlich am Arm. »Wo kommt das viele Geld her?«
»Laß mich los, Mama! Wie ein kleines Kind hältst du mich fest. Ist doch alles in Ordnung! Du weißt doch, daß ich am Deich gearbeitet habe, und das Geld ist mein Lohn. Zehn Cents für die Stunde! Und vierzehn, fünfzehn Stunden am Tag haben wir gearbeitet. Auch sonntags natürlich! Selbst für die Zeit, die wir auf dem Deich versessen haben, als wir auf die Rettungsboote warteten, haben wir bezahlt bekommen.«
Corrie May verschluckte sich an einem Stückchen Eis aus der Limonade und mußte husten. Zum ersten Male fühlte sie sich in der Gesellschaft ihres Sohnes befangen. Er war nun schon so erwachsen. Sie fragte höflich: »Es war wohl schlimm beim Dammbruch, wie?«
»Ja, sehr schlimm«, erwiderte Fred kurz, »aber, Mama, das wollte ich dir eigentlich nicht erzählen.« Er setzte sein leeres Glas auf die Theke nieder.
»Fred!« unterbrach sie ihn. »Da kommt eine Kutsche. Wenn sie hier anhalten, kannst du vielleicht bei den Pferden bleiben und dir einen Fünfer verdienen.«
»Ich halte keine Pferde mehr.« Er blickte sich nicht einmal nach der Kutsche um. Als Corrie May das Glas absetzte, erkannte sie, daß es einer der Wagen aus Ardeith war; da brauchte er ohnehin nicht sein Glück zu versuchen. Für die Larnes sollte Fred keinen Finger rühren. »Hör zu, Mama«, fing Fred wieder an. »Ich habe Arbeit. Ich meine richtige Arbeit, ständig und regelmäßig.«
Sie wandte sich ihm voller Freude zu: »Wirklich? Was hast du vor?«
»Ich will Deichmeister werden.« Fred hatte seine Verlegenheit vergessen; er sprach hastig. »Mama, ich werde für Mr. Vance arbeiten. Er war der Oberste am Deich; ich habe unter ihm gearbeitet. Er weiß mehr über Dämme und Deichbau – « Fred kam fast außer Atem vor Eifer. »Am Montag schon soll ich anfangen. Er zahlt mir drei Dollar die Woche für den Anfang. Er sagt, wenn ich mich dranhalte, so kann ich Deichmeister werden wie er selber. Dann kriege ich vielleicht sogar einen Vertrag von der Regierung und muß Dämme bauen.«
»Nicht möglich, Fred!« Ihr Gesicht glühte. Sie hörte zu, als wollte sie ihm die Worte vom Munde reißen. Er fuhr fort:
»Und diese Vertragsbaumeister sind große Leute. Sie reisen nach Washington und was sonst noch! Manchmal sprechen sie sogar mit dem Präsidenten selber – «
»Guter Gott!« ächzte Corrie May.
Mehr vermochte sie nicht zu sagen. Die Neuigkeiten waren zuviel für sie. Fred redete immer noch eilig fort; aber sie hörte kaum noch zu. In ihrem Kopf ging alles wunderbar bunt durcheinander. Fred Upjohn, ihr eigener Sohn – und wird mit dem Präsidenten selber reden! Die Kutsche aus Ardeith hielt nicht weitab vom Bürgersteig. Denis Larne stieg aus. Ein schlanker, vornehmer, junger Herr in einem wunderbar geschnittenen Anzug aus grauem Tuch.
»Und dann, Mama, genau wie du mir erzählt hast. Mr. Vance hat mir berichtet, daß früher nur die Nigger an den Dämmen gearbeitet haben. Damals hatten die Pflanzer so viele Sklaven, daß sie die einfach auf die Dämme schicken
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