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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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»Achtung!«-Rufen der Bahnbeamten, das die Leute jedesmal erschreckte, sie verwirrte und ängstigte.
    »Achtung, Achtung, da drüben! ... Beeilen Sie sich doch! ... Nein, nein, gehen Sie nicht mehr hinüber! Der Zug von Toulouse kommt! Der Zug von Toulouse kommt!«
    Pierre, der zurückgekommen war, bemerkte wieder die Damen, Frau von Jonquière und die anderen, die noch immer heiter plauderten. Neben ihnen hörte er Berthaud, den der Pater Fourcade angehalten hatte, um ihm wegen der guten Ordnung während der ganzen Pilgerfahrt seinen Glückwunsch zu sagen. Der frühere Beamte verbeugte sich geschmeichelt.
    »Nicht wahr, mein hochverehrter Pater, das ist eine Lehre, die der Republik erteilt worden ist. In Paris tötet man sich, wenn solche Menschenmassen irgendeine blutige Begebenheit ihrer gräßlichen Geschichte feiern ... sie sollen nur hierherkommen und lernen, wie es zu machen ist.«
    Der Gedanke, der Regierung unangenehm zu sein, die ihn gezwungen hatte, seinen Abschied zu nehmen, entzückte ihn. Er war nie so glücklich in Lourdes, als unter dem großen Andrang der Gläubigen, wenn es so zuging, daß die Frauen fast erdrückt wurden. Trotzdem schien er nicht ganz befriedigt von dem Resultat der politischen Propaganda, die er hier jedes Jahr drei Tage hindurch machte. Ungeduld erfaßte ihn, es ging nicht schnell genug.
    Wann würde Unsere Liebe Frau von Lourdes wohl die Monarchie zurückbringen?
    »Sehen Sie, mein hochverehrter Pater, das einzige Mittel, der wahre Triumph bestände darin, die Arbeiter der Städte in Massen hierherzubringen. Ich denke nur noch daran, ich beschäftige mich nur noch damit. Ach, wenn man doch nur eine katholische Demokratie schaffen könnte.«
    Der Pater Fourcade war sehr ernst geworden. Seine schönen, intelligenten Augen nahmen einen träumerischen Ausdruck an und verloren sich in der Ferne. Wie oft hatte er seinen Bemühungen die Erschaffung dieses neuen Volkes zum Ziel gesetzt! Aber war dazu nicht der Odem eines neuen Messias erforderlich?
    »Ja, ja«, murmelte er, »eine katholische Demokratie ... Oh, die Geschichte der Menschheit würde wieder von vorn beginnen.«
    Der Pater Massias unterbrach ihn mit leidenschaftlicher Stimme und sagte, alle Nationen der Erde würden schließlich dahin kommen, während der Doktor Bonamy, der bereits fühlte, daß in der Frömmigkeit der Pilger sich eine leichte Erkältung geltend machte, den Kopf schüttelte und der Ansicht war, daß alle Gläubigen der Grotte ihren Eifer verdoppeln müßten. Er erhoffte den Erfolg namentlich von der möglich größten Verbreitung, die den Wundern gegeben wurde. Und er tat, als strahle er, und lachte wohlgefällig, indem er auf das lärmende Vorbeiziehen der Kranken wies:
    »Sehen Sie sie doch an, reisen sie nicht mit einem besseren Aussehen ab? Viele sehen nicht geheilt aus und tragen doch den Keim der Heilung mit sich fort, seien Sie dessen ganz sicher... Oh, die braven Leute, sie tun für den Ruhm Unserer Lieben Frau von Lourdes mehr als wir alle.«
    Aber er mußte schweigen. Frau Dieulafay wurde in ihrem mit Seide ausgeschlagenen Kasten vorübergetragen. Man setzte sie vor der Tür des Wagens erster Klasse nieder, in dem eine Kammerfrau bereits die Gepäckstücke ordnete. Tiefes Mitleid erfüllte die Herzen, denn die arme Frau schien während der drei Tage, die sie in Lourdes verlebt hatte, nicht aus ihrer Erschöpfung erwacht zu sein. So, wie sie sie am Morgen der Ankunft inmitten ihres Luxus' ausgeladen hatten, so luden die Sänftenträger sie jetzt wieder ein, mit Spitzen bekleidet, mit Juwelen bedeckt, mit ihrem toten und blöden Mumiengesicht, das sich sozusagen verflüchtigte. Ja, man konnte glauben, sie wäre noch schlimmer daran als vorher, man führe sie mehr eingefallen von dannen, mehr und mehr zur Gestalt eines Kindes zusammengesunken durch das schreckliche Leiden, das erst die Knochen zerstörte und jetzt den weichen Stoff der Muskeln zerfraß. Untröstlich, mit rotgeweinten Augen, von dem Verlust ihrer letzten Hoffnung vernichtet, folgten ihr ihr Gatte und ihre Schwester mit dem Abbé Judaine, wie man einem Leichnam auf den Kirchhof folgt.
    »Nein, nein, noch nicht« sagte der Priester zu den Trägern, indem er sie verhinderte, die Kranke in den Wagen zu schieben. »Es ist noch Zeit genug, sie hineinzusetzen. Mag wenigstens die Freundlichkeit dieses schönen Himmels bis zur letzten Minute auf ihr ruhen.« Als er dann Pierre in seiner Nähe sah, führte er ihn einige Schritte weg und sagte

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