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Lourdes

Lourdes

Titel: Lourdes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Emile Zola
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zu ihm mit gramerfüllter Stimme:
    »Ach, mir bricht das Herz. Noch heute morgen hatte ich Hoffnung, ich habe sie nach der Grotte bringen lassen, habe meine Messe für sie gesprochen und habe dann noch bis elf Uhr gebetet. Aber es half nichts, die Heilige Jungfrau hat mich nicht gehört ... Ich, den sie geheilt hat, einen armen, unnützen alten Mann, ich habe die Genesung dieser schönen, jungen, reichen Frau nicht erlangen können, deren Leben doch ein beständiges Fest sein sollte ... Gewiß, die Heilige Jungfrau weiß besser als wir alle, was sie zu tun hat, und ich beuge mich und segne ihren Namen. Aber wahrhaftig, meine Seele ist von Traurigkeit erfüllt.«
    Er sagte nicht alles, er gestand den Gedanken nicht ein, der ihn in seiner kindlichen Einfachheit und in seiner Eigenschaft eines braven Mannes, den weder die Leidenschaft noch der Zweifel jemals heimgesucht haben, so außer sich brachte. Es war der Gedanke, daß die bedauernswerten Leute, die da weinten, der Mann und die Schwester, zu viele Millionen besaßen, daß sie zu schöne Geschenke mitgebracht, daß sie der Basilika zuviel Geld gegeben hatten. Man erkauft das Wunder nicht, die Reichtümer dieser Welt schaden vielmehr vor Gott. Gewiß war die Heilige Jungfrau ihnen gegenüber nicht taub gewesen, sie hatte ihnen nur ein strenges und kaltes Herz gezeigt, um mehr auf die schwache Stimme der Armen zu hören, die mit leeren Händen, nur in ihrer Liebe reich, zu ihr gekommen waren. Diese überhäufte sie mit ihrer Gnade und überflutete sie mit der glühenden Zärtlichkeit einer göttlichen Mutter. Und diese armen Reichen, die nicht erhört worden waren, diese Schwester, dieser Gatte, die mit unglücklicher Miene bei dem traurigen Körper standen, den sie wieder mitnahmen, sie fühlten sich selbst als Parias inmitten der Menge geheilter oder getrösteter Armen. Sie schienen verlegen über ihren Luxus, sie wichen zurück, von Unbehagen und Mißmut erfüllt. Sie schämten sich, als sie sahen, daß Unsere Liebe Frau von Lourdes Bettlern Erleichterung gewährt hatte, während sie der schönen und mächtigen Dame, die sich in ihren Spitzen in Todeskämpfen wand, nicht einmal einen Blick gegönnt.
    Pierre kam, als er Herrn von Guersaint und Marie noch immer nicht kommen sah, plötzlich der Gedanke, daß diese sich vielleicht schon im Wagen befänden. Er kehrte zurück, sah aber immer nur noch seinen Koffer, der auf der Bank lag. Schwester Hyacinthe und Schwester Ciaire des Anges fingen an, sich einzurichten und warteten auf ihre Kranken, und als Gérard Herrn Sabathier in einem kleinen Wagen herbeibrachte, leistete Pierre ihm hilfreiche Hand, um ihn hineinzuschaffen. Es war eine harte Arbeit, die sie in Schweiß brachte. Mit niedergeschlagener Miene, aber dennoch sehr ruhig und gefaßt, streckte sich der frühere Professor sogleich aus und nahm wieder Besitz von seiner Ecke.
    »Ich danke, meine Herren, endlich sind wir so weit, das ist ein wahres Glück! Jetzt braucht man mich nur noch in Paris herauszuheben.«
    Frau Sabathier stieg wieder aus, nachdem sie ihm die Beine in eine Decke gewickelt hatte, und blieb vor der geöffneten Wagentür stehen. Sie plauderte mit Pierre, unterbrach sich aber plötzlich und sagte:
    »Da nimmt ja auch Frau Maze ihren Platz wieder ein... Sie hat mir neulich Geständnisse gemacht. Eine recht unglückliche, arme Frau.«
    In liebenswürdigem Tone redete sie sie an und erbot sich, auf ihre Sachen aufzupassen. Aber die Neuangekommene erhob Einspruch, lachte und bewegte sich mit verstörter Miene hin und her.
    »Nein, nein, ich fahre nicht mit.«
    »Wie, Sie fahren nicht mit?«
    »Nein, nein, ich fahre nicht mit, das heißt, ich fahre schon, aber nicht mit Ihnen, nicht mit Ihnen.«
    Sie war so merkwürdig, so von sonniger Freude übergossen, daß beide Mühe hatten, sie wiederzuerkennen. Ihr Gesicht strahlte, sie schien aus der unendlichen Traurigkeit, aus ihrer Verlassenheit plötzlich herausgerissen, um zehn Jahre verjüngt.
    Sie stieß einen Schrei überströmender Freude aus.
    »Ich reise mit ihm, er ist gekommen, um mich abzuholen und nimmt mich mit... Ja, ja, wir reisen zusammen nach Luchon.«
    Dann zeigte sie mit verzücktem Blick auf einen großen braunen Menschen mit fröhlicher Miene, der gerade im Begriff war, Zeitungen zu kaufen:
    »Sehen Sie, das ist er, mein Mann, dieser schöne Mensch, der da drüben mit der Händlerin lacht... Heute morgen ist er gekommen. Er entführt mich, in zwei Minuten nehmen wir den Toulouser

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