Lourdes
Lokomotive ließ einen lauten Pfiff ertönen, dann fuhr sie unter heftiger Erschütterung langsam, schwerfällig, inmitten des Wirrwarrs ab, der hinter dem Zuge wie der Erguß einer neu geöffneten und wieder strömenden Schleuse auf die Schienen zurückflutete.
»Sperren Sie doch den Bahnsteig ab«, schrie der Stationsvorsteher seinen Leuten zu, »und passen Sie auf, wenn die Maschine kommt.«
Inmitten dieses Lärmens kamen die verspäteten Pilger und Kranken an. Die Grivotte mit ihren fieberhaften Augen schritt in ihrer tanzenden Aufregung vorüber, begleitet von Louise Roquet und Sophie Couteau, die sehr heiter und vom Laufen außer Atem waren. Alle drei beeilten sich, den Wagen zu erreichen, in dem Schwester Hyacinthe sie ausschalt. Sie waren beinahe in der Grotte geblieben, wo Pilger, die sich nicht losreißen konnten, sondern immer noch einmal zur Heiligen Jungfrau flehen und ihr danken wollten, sich manchmal vergaßen, während der Zug auf dem Bahnhof auf sie wartete.
Plötzlich bemerkte Pierre, der ebenfalls beunruhigt war, denn er wußte nicht, was er davon denken sollte, Herrn von Guersaint und Marie, die ruhig unter dem Sonnendach stehengeblieben und in einer Unterhaltung mit dem Abbé Judaine begriffen waren. Er eilte auf sie zu und erklärte ihnen seine Ungeduld.
»Was haben Sie denn gemacht? Ich fing schon an, alle Hoffnung aufzugeben.« »Wie, was wir getan haben?« erwiderte Herr von Guersaint erstaunt und friedlich. »Nun, wir waren in der Grotte, Sie wissen es doch... Ein Priester war da, der in ganz bemerkenswerter Weise predigte. Wir wären noch dort, wenn ich mich nicht daran erinnert hätte, daß wir abreisen wollen. Und wir haben auch einen Wagen genommen, wie wir es Ihnen versprochen hatten...«
Er unterbrach sich, um auf die große Uhr zu blicken.
»Es eilt ja nicht, der Zug wird vor einer Viertelstunde nicht abfahren.«
Das war richtig, und Marie zeigte ein Lächeln göttlicher Freude.
»Pierre, wenn Sie wüßten, welches Glück ich von diesem letzten Besuche bei der Heiligen Jungfrau mit fortnehme! Ich habe gesehen, wie sie mir zulächelte, ich habe gefühlt, wie sie mir die Kraft zum Leben gab... Wahrhaftig, das war ein köstliches Lebewohl, und Sie dürfen uns nicht schelten, Pierre.«
Über seine ängstliche Aufregung ein wenig beschämt, hatte er selbst zu lächeln angefangen. War denn der Wunsch, von Lourdes fortzukommen, so lebhaft in ihm? Fürchtete er, daß Marie von der Grotte behalten werden würde und nicht mehr zurückkehrte? Jetzt, da sie da war, wunderte er sich und fühlte sich ganz ruhig.
Als er ihnen aber schließlich doch riet, sich in den Wagen zu setzen, erblickte er Doktor Chassaigne, der auf sie zulief.
»Oh, mein guter Doktor, ich erwarte Sie. Es hätte mir einen großen Kummer bereitet, wenn ich Sie vor der Abreise nicht noch einmal hätte umarmen können.«
Aber der alte Arzt unterbrach ihn zitternd vor Aufregung:
»Ja, ja, ich habe mich verspätet. Denken Sie sich nur, als ich vor zehn Minuten hier ankam, plauderte ich dort unten mit dem Hauptmann, Sie kennen ihn ja, das Original. Er kicherte, als er Ihre Kranken wieder den Zug besteigen sah, der sie nach Hause brachte, damit sie dort sterben könnten, was sie schon vorher hätten tun sollen ... Da plötzlich ist er vor mir, wie vom Donner gerührt, niedergestürzt... Es war sein dritter Schlaganfall, auf den er gewartet hatte...«
»Oh, mein Gott«, murmelte der Abbé Judaine, der zugehört hatte, »er lästerte, der Himmel hat ihn bestraft.«
Herr von Guersaint und Marie lauschten gespannt und bewegt.
»Ich habe ihn hierher in eine Ecke des Schuppens tragen lassen«, fuhr der Doktor fort. »Es ist wohl mit ihm zu Ende, ich kann nichts tun, er wird zweifellos vor Ablauf einer Viertelstunde sterben... Da habe ich an einen Priester gedacht und mich beeilt, hierherzulaufen.«
Er wandte sich um.
»Herr Pfarrer, Sie kennen ihn, kommen Sie doch mit. Man kann doch einen Christen nicht so sterben lassen. Vielleicht läßt er sich rühren, erkennt seinen Irrtum an und versöhnt sich mit Gott...«
Lebhaft folgte ihm der Abbé Judaine, und hinter ihnen nahm Herr von Guersaint Marie und Pierre mit, die der Gedanke an dieses Drama leidenschaftlich bewegte. Alle vier traten in den Gepäckschuppen, zwanzig Schritte von der tosenden Menge, von der niemand ahnte, daß ein Mensch so nahe bei ihnen im Todeskampf lag.
In einer einsamen Ecke, zwischen zwei Reihen von Hafersäcken, lag der Hauptmann auf einer
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