Love Train
ich also meine Schwester, als sie erneut versuchte, nach meinem Tagebuch zu greifen. Doch Juli lachte bloà â ihre gute Laune schien nichts erschüttern zu können.
»Inzwischen habe ich dieselbe Frisur«, amüsierte sie sich, denn sie wusste sofort, worauf ich anspielte. »Man könnte sagen, dass du damals ein echter Trendsetter warst.«
»Hm«, machte ich bloà und verzog das Gesicht.
»Nun zieh nicht so ein Gesicht, das passt nicht zu deinem schicken neuen Outfit«, wies meine Schwester mich zurecht. Ich trug die karierte Shorts und dazu das Shirt mit der groÃen Schleife â es sah wirklich süà aus! »Apropos. Ich hab noch was für dich gefunden.« Sie kramte in einer ihrer Tüten und holte schlieÃlich einen gerade geschnittenen grauen Blazer mit einer Bordüre am Kragen hervor, der exakt zu meinen neuen Klamotten passte. Unglaublich, wie Juli immer solche Sachen fand.
»Schenke ich dir, weil du so brav gewartet hast.« Juli grinste mich breit an und ich musste zurücklächeln. Manchmal ist meine Schwester weit weniger egoistisch, als ich ihr im Streit vorgeworfen hatte. Ich konnte ihr einfach nicht mehr böse sein.
»So, und jetzt sollten wir noch ein bisschen Sightseeing machen, findest du nicht?« Julis Tatendrang war ungebrochen. »Was muss man denn in Brüssel auÃer dem pinkelnden Knaben noch gesehen haben?«
Schnell startete ich meine App und checkte die Tipps, bis ich schlieÃlich fündig wurde und Juli zur Rue des Bouchers â auch Fressgasse genannt â lotste. In der schmalen StraÃe reihte sich Restaurant an Restaurant und an den AuÃentischen hatten bereits zahllose Touristen zum Abendessen Platz genommen, vor sich riesige Teller mit Hummer, Krabben und anderem Meeresgetier.
»Come in«, drängten die Kellner vor jedem Restaurant die vorbeiflanierenden Passanten. »Good food.« Aber meine App sagte, dass das Essen hier eher mäÃig war und man dafür zu viel bezahlen musste. AuÃerdem mochte ich keine Schalentiere. Ich zog meine Schwester weiter, die bei einem der hübscheren Kellner stehen geblieben war. Sein Pfiff folgte uns noch, als wir in eine unscheinbare Sackgasse abbogen, die nach der auf Hochglanz polierten Fressgasse schäbig wirkte.
»Was willst du denn hier?«, beschwerte sich Juli auch sogleich, aber ich wies nur auf einen kleinen Brunnen, der sich hinter einem Gitter in der Mauer versteckte.
»Darf ich vorstellen: Janneken Pis «, erklärte ich, als Juli schon in lautes Gelächter ausbrach.
»Das nenne ich mal Gleichberechtigung«, gackerte sie und zeigte mit ausgestrecktem Zeigefinger auf die Bronzefigur eines kleinen, nackten Mädchens, das sich hingehockt hatte, um Pipi zu machen. Wir knipsten Erinnerungsfotos von uns zusammen mit Janneken, dann wurde es allmählich dunkel und wir schlenderten durch eine schicke Passage zur Grand-Place .
Auf dem groÃen Marktplatz mit den barocken Prachtbauten wimmelte es von Leuten. Wir kauften uns unser Abendessen â dick gezuckerte belgische Waffeln â und überquerten kauend das Kopfsteinpflaster, weil sich auf der gegenüberliegenden Seite eine Traube von Touristen gesammelt hatte und wir wissen wollten, was es dort zu bestaunen gab.
»Schon wieder eine Statue«, grummelte Juli, als wir nahe genug herangekommen waren. »Was haben die bloà ständig mit diesen Bronzefiguren?« Tatsache, der Mittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit war die Statue eines toten Typen, der, mit einem Leichentuch bedeckt, am Fuà einer Gedenktafel ruhte. Meine Schwester wollte direkt wieder umdrehen, aber ich hielt sie zurück.
»Schau mal, was die alle machen.«
Aus der Touristengruppe â dem Singsang ihrer schnatternden Stimmen nach zu urteilen, waren es Italiener â näherte sich einer nach dem anderen dem liegenden Metallmann und rieb über dessen Arm, der im Gegensatz zum grünlichen Körper golden glänzte.
»Was soll das denn?« Julis Neugier war geweckt. Ich zückte mein Handy und wollte eben nachschauen, was es mit dem glänzenden Arm auf sich hatte, da wendete sich Juli mit der Frage bereits an einen gut aussehenden Italiener.
»This is a knight«, erklärte uns der Italoboy mit starkem Akzent, es klang eher wie: »Siss is ää neid«. Ein Ritter also. Und? »You touch the arm and make a wish, and it ⦠si realizza.« Offenbar
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