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Love Train

Love Train

Titel: Love Train Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Lankers
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meinen bisherigen Shoppingtouren nicht einmal eines zweiten Blickes gewürdigt hätte. Es war Sale, keines der Teile auf meinen Armen kostete mehr als zehn Euro und meine Schwester hatte sich in einen Kaufrausch hineingesteigert.
    Â»Dazu diese Shorts!« Oben auf dem Kleiderberg landete eine kurze karierte Hose in Grau- und Bordeauxtönen.
    Â»Ein Kleid, ein Kleid, wir brauchen ein Kleid«, skandierte Juli und ließ ihren Blick systematisch über die Kleiderstangen schweifen, bis sie sich mit einem entzückten Aufschrei auf eine Kreation im Sixties-Look stürzte. »Das betont deine schmale Figur!«, jubelte sie, und ich fragte mich, ob das ihr Codewort für meine Körbchengröße A war.
    Â»Juli«, nörgelte ich. »Es wird langsam ein bisschen schwer.«
    Â»Oh, okay.« Meine Schwester schien sich wieder zu sammeln. »Dann kommt jetzt der schönste Teil. Anprobieren!« Mir war schleierhaft, was daran so toll sein sollte. Ich hasste das Umziehen in den engen Kabinen mit ihrem Neonlicht, das einen selbst nach dem Sommerurlaub noch käsig wirken ließ. Doch Juli dirigierte mich zu den Umkleidekabinen, vor denen sich bereits eine Warteschlange von Menschen mit Wäschebergen auf den Armen gebildet hatte.
    Endlich wurde eine Kabine für mich frei und Juli hockte sich erwartungsvoll auf einen großen Kunstledersitzwürfel in der Mitte des Umkleidebereichs.
    Â»Lass die Modenschau beginnen«, forderte sie voller Vorfreude.
    Der Kleiderberg landete chaotisch auf dem Boden der Kabine und ich stand etwas ratlos davor. Schließlich zog ich einen gestreiften Stretchminirock und ein weißes Shirt raus, auf das mit Pailletten gestickt »Take A Chance On Love« stand. Es war das neutralste Outfit, das ich in diesem Haufen entdecken konnte. Den Blick in den Spiegel sparte ich mir und trat etwas unsicher vor die Kabine.
    Â»Geht gar nicht«, fällte meine Schwester sofort ihr vernichtendes Urteil. Überrascht schaute ich nun doch in den großen Wandspiegel auf der gegenüberliegenden Seite und stimmte Juli unumwunden zu. Ich sah bleich aus und wie in eine Wurstpelle gezwängt. Trotzdem war ich erstaunt über Julis ehrliche Kritik. Ich hätte erwartet, dass meine Schwester alles toll finden würde, was sie selbst ausgesucht hatte, egal, wie furchtbar ich darin aussah.
    Â»Zieh das Kleid an«, verlangte Juli und ich ging mit einem Schulterzucken zurück in die Kabine. Das Kleid, na gut, ich konnte mir zwar nicht vorstellen, dass mir das auch nur minimal besser stand, aber davon konnte Juli sich gern selbst überzeugen.
    Bei dem Versuch, den Reißverschluss am Rücken zu schließen, verrenkte ich mir beinahe die Schulter, aber der weiche beige Stoff mit dem schmalen schwarzen Band unter der Brust fiel angenehm um meinen Körper. Ich riskierte einen Blick in den Spiegel und starrte mich selbst verblüfft an. War das wirklich ich?
    Juli hatte recht, der Schnitt war wie für mich gemacht: Er kaschierte, was oben fehlt, und betonte meine hübschen Beine, die umso länger wirkten, weil der Saum gut eine Handbreit über dem Knie endete.
    Â»Volltreffer«, freute sich Juli bei meinem Anblick. »Ich wusste es.«
    Â»Ja, nicht schlecht«, gab ich zögernd zu.
    Â»Nicht schlecht? Du siehst aus wie die junge Jackie Kennedy. Na ja, von der Frisur mal abgesehen. Zieh dazu meine Schuhe an.« Sie streifte ihre schwarzen Peeptoes ab und kickte sie zu mir rüber. Da meine Schwester und ich dieselbe Größe haben, hatte ich keine Probleme, in die Schuhe hineinzuschlüpfen, allerdings war es für mich schwieriger als für Juli, darauf zu laufen. Ich eierte auf den hohen Absätzen zum nächsten Spiegel und Juli kicherte. »Gib es zu, das sieht toll aus.« Und, ja, das tat es, obwohl ich zu dem Kleid in Zukunft wohl eher ein paar Ballerinas kombinieren würde. Dieses Kleid musste ich haben – auch wenn ich mir keine einzige Gelegenheit vorstellen konnte, bei der ich es auf unserer Interrailtour anziehen sollte.
    Â»Weiter«, unterbrach meine Schwester meine selbstverliebte Musterung im Spiegel. »Du hast noch einiges vor dir.«
    Also machte ich weiter und bekam immer mehr Spaß an der Sache. Mit jedem Teil, das ich vom Stapel zog, musste ich mehr und mehr zugeben, dass Juli Geschmack bewiesen hatte. Es waren Sachen, die ich niemals selbst für mich ausgesucht hätte – aber sie standen

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