Love Train
Kleingeld. Hatte Juli mir das Zettelchen etwa heimlich in die Tasche gesteckt, während ich geschlafen hatte? Felix schob das Tellerchen zu mir und unterbrach meine Ãberlegungen.
»Ich bin blank«, gestand ich und spürte die Hitze in meine Wangen steigen.
»Ich lad dich ein«, bot er sofort an und ich nickte ergeben.
»Danke.« Es war mir peinlich, dass er schon wieder für mich einsprang.
Felix stützte die Hände auf den Tisch und lehnte sich vor. Mit einem Grinsen in meine Richtung erklärte er: »Ich denke, wir könnten alle unsere Reisekasse ein bisschen aufbessern. Deshalb treffen wir uns in fünf Tagen in Monaco im Casino Monte Carlo. Die nächste Aufgabe lautet: Jeder setzt hundert Euro, und wer am meisten gewinnt, ist der Sieger!«
»Hundert Euro? Gehtâs noch?«, empörte sich Tobias sofort. »Da kann ich das Geld ja gleich in kleine Stücke reiÃen und ins Meer schmeiÃen.« Offensichtlich war es um Tobiasâ Finanzen nicht besser bestellt als um meine. Aber Felix war von seinem Plan nicht mehr abzubringen.
»Komm schon, Mann, dann musst du dich eben ein bisschen anstrengen.« Felix klopfte Tobias, der in einer bockigen Geste wieder die Arme vor der Brust verschränkt hatte, aufmunternd auf die Schulter. Surferboy wandte sich zu meiner Schwester, offensichtlich erhoffte er sich von ihrer Seite Unterstützung. Prompt meldete auch Juli Zweifel an.
»Aber was, wenn wir alle verlieren?«
»Dann bekommt jeder einen Punkt, der es zumindest versucht hat«, entschied Felix mit einem herausfordernden Blick zu Tobias.
»Aber«, mischte ich mich nun auch noch ein, obwohl ich ungern dieselbe Meinung wie Tobias und Juli vertreten wollte. »Wie soll ich es denn schaffen, in das Casino reinzukommen?« Ich konnte mir kaum vorstellen, dass der Eintritt unter achtzehn Jahren erlaubt war.
»Dann musst du dich eben ein bisschen anstrengen«, wiederholte Felix seine eigenen Worte, aber er zwinkerte mir dabei verschwörerisch zu, als habe er einen Masterplan.
Meine Bedenken waren dadurch keineswegs ausgeräumt und auch Juli und Tobias schauten noch immer mürrisch.
»Na gut«, lenkte Felix unvermittelt ein. »Ein kleiner Anreiz für die Feiglinge: Wenn einer von uns gewinnt, und das will ich doch schwer hoffen, dann teilen wir die Gesamtsumme des Gewinns gerecht durch vier. Was meint ihr?«
Tobias, Juli und ich schnaubten unisono. Begeistert war keiner von uns, aber so waren nun mal die Regeln dieses Spiels: Einer gab eine Aufgabe vor und alle mussten sie erfüllen.
»Wennâs sein muss«, antworteten wir wie aus einem Munde.
Da muss man nur einmal kurz einschlafen und schon begeht Juli einen unverzeihlichen Verrat.
aus Lenas Tagebuch
Manche Begriffe sind einfach irreführend! Erdbeeren, zum Beispiel, sind gar keine Beeren, sondern Nüsse, das haben wir neulich in Bio gelernt. Und der Koalabär ist kein Bär, sondern ein Beuteltier wie das Känguru. Das weià ich aus einer Tiersendung, in die ich versehentlich reingezappt habe. Solche Nonsens-Informationen speichert mein Hirn ganz von allein ab. Manchmal wünschte ich, es würde dasselbe mit Vokabeln tun, was aber leider nicht funktioniert.
Auf jeden Fall hätte ich mit diesem Wissen im Hinterkopf vielleicht stutzig werden sollen, als wir am Ticketschalter zwei Zuschläge für »Ruhesessel« im Nachtzug buchten. Aber ich dachte mir nichts dabei, denn ich bin noch nie mit einem Nachtzug gefahren.
Der Zuschlag zum Interrailpass kostete nur ein paar Euro und so konnten wir das Geld für eine zusätzliche Ãbernachtung sparen und â wie wir dachten â am nächsten Morgen gut ausgeschlafen und ausgeruht an unserem nächsten Ziel ankommen.
Juli wollte unbedingt einen Abstecher nach Mailand machen, und obwohl mich die Modemetropole nur mäÃig reizte, stimmte ich zu. Von dort war man nämlich in einer guten Stunde in Verona, der Stadt von Romeo und Julia â dem Mekka aller Romantiksüchtigen wie mir. Die Jungs konnten sich weder für das eine noch das andere Ziel erwärmen und entschieden sich schlieÃlich, direkt an die Côte dâAzur zu fahren, um dort ein paar Tage tauchen zu gehen.
Nachdem wir zuvor die halbe Nacht auf einem Friedhof verbracht hatten, hätte ich nicht gedacht, dass mir ein Bahnhof zu später Stunde noch irgendwie unheimlich sein könnte. Trotzdem war es ein
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