Love Train
-Sänger empfand. Sie war süà und gleichzeitig stets schmerzlich, denn auch wenn ich mich gern in Tagträumen von heiÃen Küssen und innigen Umarmungen verlor, wusste der realistische Teil von mir, dass die Wahrscheinlichkeit, dass diese sich jemals erfüllen würden, verschwindend gering war.
Joey war perfekt, und ich hätte alles dafür gegeben, wenn er meine Gefühle erwidern würde, aber dafür musste er erst einmal wissen, dass es mich überhaupt gab. Und während ich Felixâ Lied lauschte, wurde mir auf einmal klar, dass ich mit meiner Liebe für Joey, so verzweifelt sie auch war, immer auf der sicheren Seite sein würde, denn er würde mich niemals so enttäuschen, wie Marco es getan hatte â¦
»Where life leaves us blind, love keeps us kind«, schloss Felix seine Darbietung schlieÃlich mit dem Refrain. Als er die Liedzeile noch ein letztes Mal wiederholte, öffnete ich meine Augen und wischte mir verstohlen eine Träne aus dem Augenwinkel, die sich trotz meiner Anstrengungen ihren Weg gebahnt hatte. Felix verstummte, öffnete ebenfalls die Augen und sah mich so durchdringend an, dass ich für einen kurzen Moment das verrückte Gefühl hatte, er hätte nur für mich allein gesungen. Dann grinste er verschmitzt. »Und, was sagst du? Das war doch romantisch, oder?«
»Wow.« Mehr brachte ich nicht heraus.
Tobias klatschte ein paar Mal ironisch langsam in die Hände. »Super, du Schnulzensänger, dann lasst uns mal abstimmen.« Die Aufgabe, richtig, wir mussten noch Punkte vergeben. »Ich bin nach wie vor der Meinung, dass ich zwei Punkte verdient habe, aber weil ihr alle so schön gesungen habt â¦Â« Er zwinkerte Juli übertrieben zu. »⦠wenn natürlich auch nicht am Grab von Jim Morrison, wie es eigentlich vereinbart war, erkläre ich mich bereit, jedem von euch einen Trostpunkt zuzugestehen.« Selbstbewusst verschränkte er die muskulösen Arme vor der Brust.
»Das klingt fair«, stimmte Juli sofort zu â ich bekam langsam die Krise, weil sie Tobias ständig nach dem Mund redete. Andererseits hatte Surferboy natürlich recht, was die Aufgabenstellung anging, er hatte als Einziger sein Ständchen am Grab gesungen, und wir hatten ja nicht vereinbart, dass die Darbietung keine Beleidigung für die Ohren sein durfte. Also nickte ich ergeben.
»Okay«, gab sich auch Felix geschlagen und Tobias löste die Arme, streckte sie in die Luft und formte mit Zeige- und Mittelfinger das Siegerzeichen.
»Gleichstand«, posaunte er laut heraus. »Dank meiner Glanzleistung hat das Team Jungs das Team Mädchen eingeholt! Dann lasst uns mal die nächste Challenge festlegen.«
Wie schon die beiden Male zuvor holte Felix Streichhölzer heraus â es waren nur noch zwei übrig â und hielt sie Tobias hin. Der zog â das längere. Erst als ich erleichtert die Luft ausstieÃ, merkte ich, dass ich sie vor Anspannung angehalten hatte. Vor der Aufgabe, die Tobias uns stellen würde, graute mir bereits am meisten, aber jetzt hatte ich erst mal noch eine Schonfrist erhalten.
Als Felix gerade seinen Vorschlag machen wollte, kam der Kellner an unseren Tisch und knallte uns das Tellerchen mit der Rechnung hin. Wahrscheinlich hatte er Tobiasâ Victoryzeichen als Aufforderung zum Zahlen missverstanden. Ich zog mein Portemonnaie raus, aber darin herrschte gähnende Leere. Mist! Ich hatte morgens erst Geld abgehoben, aber nur ein bisschen, weil mein Kontostand mir langsam Sorgen bereitete â hatte ich das wirklich alles schon wieder ausgegeben? Ich musste unbedingt meine Mutter anrufen und um eine Sonderüberweisung bitten, aber das hatte ich bisher vor mir hergeschoben. Ich wollte mir (und meinen Eltern) einfach nicht eingestehen, dass ich mit meinen eigenen Ersparnissen niemals bis Barcelona kommen würde.
Ich kramte in meiner Hosentasche, vielleicht hatte ich ja ein paar Münzen in die Jeans gesteckt. Tatsächlich stieÃen meine Finger ganz unten in der Tasche auf einen knittrigen Schein, den ich erleichtert herausholte, doch dann stellte ich enttäuscht fest, dass es sich nicht um Geld handelte. Ãberrascht starrte ich auf den karierten Zettel. Es war der Text, den ich auf dem Friedhof hatte freilassen wollen und den Juli mir abgeknöpft hatte. Ich warf meiner Schwester einen verwunderten Blick zu, aber die beschäftigte sich mit ihrem
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