Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
Medikamente empfohlen hatten und dass ich die jetzt einfach nehmen und die Therapie abbrechen würde.
»Hmmmm«, machte Laurie und klickte mit ihrem verdammten Kugelschreiber, und das war alles. Keine Medikamente für mich, nur massenhaft Gesprächstherapie. Wenn ich gewusst hätte, dass das Ganze so endet, hätte ich die Kotzpillen weitergenommen.
»Kann es sein, dass dieser Vorfall in der Schule irgendwie mit Julia zu tun hat?«
Sie wusste genau, dass es so war. Ich spürte richtig, wie sie darauf brannte, noch mehr Fragen zu stellen und mit ihrem dämlichen Kugelschreiber zu klicken.
»Nein«, sagte ich und danach saßen wir schweigend da. Ich hätte gern mein Notizbuch wieder herausgeholt und Julia geschrieben, aber dann hätte sie sich sofort draufgestürzt und ich wollte nicht, dass sie alles mit ihren Fragen verdarb.
Als siebenundvierzig von unseren fünfzig Minuten um waren, sagte sie: »Das Notizbuch, das du immer dabeihast – ist das ein Tagebuch?«
Ich gab keine Antwort, weil ich nicht so dumm war, ihr auf die Nase zu binden: »Nein, das sind Briefe an Julia.« Ich bekam Kopfschmerzen, wenn ich nur dran dachte, wie viel nervtötendes Kugelschreiberklicken das auslösen würde.
»Amy, bevor du gehst, möchte ich noch kurz mit dir über die Entscheidungen sprechen, die jeder für sich trifft.«
Leider kam sie nicht auf die Idee, mich zu fragen, ob ich vielleicht die Entscheidung getroffen hatte, nie mehr zu ihr zu kommen.
»Warst du schon an Julias Grab seit der Beerdigung?«, sagte sie, in ganz beiläufigem Ton, als ob sie nur nach dem Wetter fragte. Ich schaute sie daraufhin an und ich …
Ich sagte nichts. Ich konnte nicht, selbst wenn ichgewollt hätte. Alles, was aus mir herausgekommen wäre, wäre ein endloser Schrei gewesen.
»Vielleicht solltest du dich dazu durchringen – oder dir überlegen, warum du noch nie da warst«, fügte sie hinzu und dann sagte sie, die Stunde sei um und wir würden uns nächste Woche sehen.
Woher wusste sie, dass ich nicht da war? Woher in aller Welt?
130 Tage
Julia,
Laurie will , dass ich Dich besuche, aber ich ... selbst auf der Beerdigung konnte ich Dich nicht ansehen. Nicht so wie die anderen, die in einer langen Schlange an Dir vorbeidefilierten – die ganze Kirche war von Tränen und Schritten erfüllt. Du hast in einer glänzenden Holzkiste gelegen und ich konnte mich nicht rühren, weil es so falsch war, dass Du dort warst. Ich saß einfach da und starrte vor mich hin. Wenn ich doch nur keine Luft mehr bekommen hätte und erstickt wäre.
Aber ich bin nicht erstickt, ich atmete und ich fuhr stumm im Auto meiner Eltern zum Friedhof, allein auf dem Rücksitz. Ich musste weg, als sie Dich … als sie die glänzende Kiste in den Boden senkten. Ich ging aus dem Friedhof und lehnte mich gegen unseren Wagen. Ich starrte in die Sonne, bis meine Augen brannten, bis alles zu einem grellen, schmerzhaften Fleck verschwamm.
Deine Mutter ist gegangen, bevor der Gottesdienst vorbei war. Ich weiß das, weil ich noch die Stimme des Pfarrers in der Ferne hören konnte. Dort, wo Du warst. Deine Mom kam weinend heraus, auf eine Frau gestützt, von der ich wusste, dass es Deine Tante Ellen war (sie sah genauso aus, wie Du sie beschrieben hast, bis hin zudem Leberfleck an ihrem Hals). Als Deine Mom mich entdeckte, hörte sie auf zu weinen und schaute mich an. Sie sagte nicht, dass ich kein Recht hätte, hier zu sein. Das war auch nicht nötig. Und sie sagte nicht, dass alles meine Schuld war. Auch das brauchte sie nicht. Sie sah mich nur an. Wenn sie doch irgendwas getan oder gesagt hätte, egal was. Aber nichts. Sie sah mich nur an und dann wandte sie sich ab.
Ich war nicht bei Dir, weil ich nicht konnte. Ich kann einfach nicht, aber …
Aber Laurie wusste es. Sie weiß, wie schwach ich bin.
16
Ich habe mein Notizbuch zugeklappt und die Blicke ignoriert, die Mom darauf warf. Ich wusste, dass sie nicht fragen würde, was ich schrieb.
Hat sie auch nicht. Stattdessen musste ich auf dem ganzen Heimweg Fragen über die Schule beantworten. Seit ich Julias Schließfach in Ordnung gebracht habe, quetscht sie mich dauernd aus und Dad auch.
Also hab ich geredet.
Ich sagte: »Ja, der Unterricht ist okay.«
Und: »Ja, ich geb mir Mühe, Freunde zu finden.« (Dabei weiß ich gar nicht, wie man das macht. Ich hätte es vielleicht in Pinewood probieren sollen. Aber ich konnte nicht. Ich habe keine Freundschaften verdient, und außerdem, ohne
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