Love you, hate you, miss you: Roman (German Edition)
kaum noch Luft bekam.
Wir haben nicht über die Schule geredet und auch nicht über Beth oder Mel. Wir … wir haben einfach die bescheuerte Trophäe abgeholt und Pommes gegessen, nichts Besonderes, aber in der ganzen Zeit ging es mir so gut wie schon lange nicht mehr. Weil ich mich weniger hasste als sonst.
Mom ließ sich nicht so leicht von mir abwimmeln. Ein paar Minuten später kam sie in mein Zimmer und sagte: »Ich bin so froh, dass du wieder mal rausgekommen bist, Amy. Und ich wollte dich fragen, ob du nicht Lust hast, am Wochenende mit mir ins Oasis zu gehen. Wir könnten uns die Haare schneiden lassen und uns vielleicht einen schönen Tag in dem Spa dort machen.«
»Ich lass’ mir die Haare wachsen«, sagte ich. Julia hat mir früher die Haare geschnitten. Sie konnte das richtig gut und sie hätte garantiert mit zwanzig ihren ersten eigenen Friseursalon gehabt, so wie sie es sich erträumte, und der wäre tausendmal besser gewesen als das Oasis. (Obwohl ich dort noch nie war.)
»Oh. Na ja, dann könnten wir stattdessen vielleicht ins Einkaufszentrum gehen oder so.«
»Ich glaub nicht, Mom. Ich hab eine Menge Hausaufgaben und dann noch die Präsentation morgen, das hab ich dir ja schon gesagt, und außerdem hab ich schon gegessen – also, ich muss jetzt arbeiten.«
Mom schwieg einen Augenblick, dann nickte sie und ging.
Ich dachte, sie würde vielleicht zurückkommen und mich noch mal fragen, ob ich was mit ihr unternehmen wollte, aber sie kam nicht. Später ging ich hinunter, um mir eine Limo zu holen, und da saß sie Händchen haltend mit Dad in der Küche und unterhielt sich mit ihm. Sie blickten kaum auf, als ich hereinkam. Nahmen mich gar nicht wahr, sodass ich mich in total vertrautem Terrain bewegte, genau das, was ich gewollt hatte. Nur dass ich mich nicht so gut dabei fühlte, wie ich erwartet hatte.
Wenn das morgen vorbei ist, wird alles so sein wie immer. Caro wird nach der Präsentation nicht mehr mit mir reden und mein Verhältnis zu Mom und Dad scheint auch in die alten, ausgetretenen Bahnen zurückzufallen. Das ist gut so. Wirklich. Alles wird sein wie immer. Wie ich es verdient habe.
Aber warum …
Warum geht’s mir dann so schlecht dabei?
20
Mel und Caro übernahmen im Endeffekt die ganze Redearbeit bei unserer Präsentation und ich war froh darüber. Ich hatte mir nicht klargemacht, was eine solche Präsentation in der Klasse bedeutet. Dass man vor einem Raum voller Leute stehen muss (alles Idioten, aber trotzdem). Im Prinzip war es wie auf einer Party, nur noch schlimmer, weil es eben Schule war, weil ich nichts getrunken hatte, und weil Julia fehlte.
Ich wäre am liebsten aus der Klasse gestürmt, aus der Schule, um mir was zu trinken zu besorgen. Und wenn ich auch nur die geringste Chance dazu gesehen hätte, dann hätte ich es sofort getan.
Obwohl – wer sagt, dass es nicht möglich gewesen wäre? Ich hätte einfach rausgehen können, die Schule verlassen und mir was zu trinken kaufen. Aber ich habe es nicht gemacht. Natürlich nicht. Weil ich Angst hatte. So viel Angst, dass ich mich nicht rühren konnte. Ich stand da, in meiner ganzen lächerlichen Größe, und zupfte an meinen viel zu roten Haaren herum und Julia fehlte mir so, dass ich kaum Luft bekam.
Mit Julia hätte ich das locker überstanden. Ohne Panik.
Unsere Gruppe war als letzte an der Reihe, und als dieGlocke läutete, redete Mel immer noch. Die Gladwell sagte: »Ich danke euch allen für eure großartigen Präsentationen«, und sah mich dabei mit hochgezogenen Augenbrauen an, weil ich die ganze Zeit kein Wort gesagt hatte. (Patrick auch nicht, aber er bekam keine strafenden Blicke; offenbar zählt es als Reden, wenn man mit einer Computermaus herumklickt.)
Alle gingen raus, nur wir blieben noch da, und die beiden anderen Gruppen, die etwas vorgetragen hatten und die ihre Noten natürlich als Erste bekamen. Aber Caro verschwand im Flur, bevor wir drankamen, obwohl Beth sie anfunkelte, und so stand ich mit Patrick und Mel alleine da.
»Weißt du was, Amy?«, sagte Mel. »Ich musste an dich denken, als wir über die Freundschaft von Huck und Jim gesprochen haben.«
Ich nickte (wie ein Idiot), weil ich dachte, dass Mel sich in sein übliches Geschwafel stürzen und mich dann ausquetschen würde, ob ich gern Tacos aß oder was auch immer, aber stattdessen sagte er: »Bestimmt vermisst du Julia total. Auch wenn du nie über sie redest, was irgendwie komisch ist, aber ich spüre genau, dass
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