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Love

Love

Titel: Love Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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kleine Lisey erst zwei gewesen war, bedeutet hatte, dass Manda hingegangen war und etwas auf eigene Faust unternommen hatte. Tränen für irgendjemanden würden folgen; meistens für Amanda selbst. Lisey merkte, dass sie mit gewissem Interesse (und leichtem Grausen) darauf wartete, was dieser Ausdruck wohl diesmal bedeuten würde. Amanda hatte sich, seit sie aufgekreuzt war, so verrückt benommen. Vielleicht lag das nur an dem trüben, schwülen Wetter. Wahrscheinlicher war jedoch, dass es mit dem plötzlichen Verschwinden ihres langjährigen Freundes zu tun hatte. Falls Manda vor der nächsten Periode emotionaler Stürme stand, weil Charlie Corriveau sie hatte sitzen lassen, musste Lisey sich wohl auf einiges gefasst machen. Banker hin oder her, sie hatte Corriveau nie leiden können, sie hatte ihm nie getraut. Wie konnte man auch einem Mann trauen, nachdem man beim Frühjahrs-Kuchenverkauf zugunsten der Bücherei mitbekommen hatte, wie die Jungs unten im Mellow Tiger ihn »Shootin’ Beans« nannten? Was für eine Art Spitzname war das für einen Banker? Was sollte er vor allem bedeuten? Charlie wusste doch bestimmt, dass Manda schon früher psychische Probleme gehabt hatte …
    »Lisey?«, fragte Amanda. Auf ihrer Stirn standen tiefe Falten.
    »Entschuldige«, sagte Lisey, »ich war nur … einen Augen blick lang nicht ganz da.«
    »Das bist du öfter nicht«, sagte Amanda. »Ich schätze, das hast du von Scott. Pass jetzt auf, Lisey. Ich habe auf jede sei ner Zeitschriften und das gelehrte Zeug eine kleine Zahl ge schrieben. Auf die Sachen, die drüben an der Wand gestapelt sind.«
    Lisey nickte, als würde sie verstehen, worauf dies hinaus lief.
    »Ich habe die Zahlen mit Bleistift geschrieben und nicht fest aufgedrückt«, fuhr Amanda fort. »Immer wenn du mir den Rücken zugekehrt hast oder irgendwo anders warst. Weil ich dachte, wenn du es plötzlich doch bemerkst, verlangst du vielleicht, dass ich damit aufhöre.«
    »Hätte ich nicht.« Sie nahm das kleine Notizbuch, das vom Schweiß seiner Besitzerin schon ganz schlaff war. »Acht hundertsechsundfünfzig! So viele!« Und sie wusste, dass die entlang der Wand aufgestapelten Druckerzeugnisse nicht zu denen gehörten, die sie selbst hätte lesen und im Haus ha ben wollen – Zeitschriften wie O und Good Housekeeping und Ms. – , stattdessen hießen sie Little Swanee Review, Glimmer Train oder Open City, manche hatten auch unverständliche Namen wie Piskya .
    »Noch ziemlich viel mehr«, sagte Amanda und wies mit dem Daumen auf die Stapel aus Büchern und Zeitschriften. Als Lisey sie nun eingehender betrachtete, sah sie, dass ihre Schwester recht hatte. Das waren weit mehr als achthundert fünfzig und ein paar Zerquetschte. Ganz sicher. »Insgesamt fast dreitausend, und wo du sie hintun willst oder wer sie haben wollen könnte, weiß ich beim besten Willen nicht. Nein, achthundertsechsundfünfzig ist nur die Zahl von denen mit Bildern von dir drin.«
    Das war so unbeholfen ausgedrückt, dass Lisey es zuerst nicht verstand. Als sie es schließlich tat, war sie entzückt. Auf die Idee, dass es einen so unerwarteten Bildervorrat geben könnte – solch eine versteckte Chronik ihrer gemeinsamen Jahre –, war sie nie gekommen. Doch als sie jetzt darüber nachdachte, erschien ihr das nur logisch. Sie waren über fünfundzwanzig Jahre verheiratet gewesen, als er gestorben war, und Scott war in all diesen Jahren ein passionierter, ruheloser Reisender gewesen, unermüdlich unterwegs zu Lesungen und Vorträgen kreuz und quer durchs ganze Land, und hatte bis zu neunzig Hochschulen im Jahr besucht, ohne dass sein scheinbar endloser Strom von Kurzgeschichten ins Stocken geriet. Und auf den meisten dieser Streifzüge hatte sie ihn begleitet. In wie vielen Motels hatte sie mit ihrem kleinen schwedischen Dampfbügeleisen einen seiner Anzüge aufgefrischt, während auf ihrer Seite des Zimmers der Fernseher Talkshow-Psalmen murmelte und auf seiner die Reiseschreibmaschine klapperte (in den ersten Ehejahren) oder der Laptop leise klickte (später), während er mit einer in die Stirn fallenden kommaförmigen Haarlocke darauf hinabsah?
    Manda betrachtete sie säuerlich, offenbar unzufrieden mit ihrer bisherigen Reaktion. »Die Umkringelten – das sind über sechshundert – sind die, bei denen du in der Bildunterschrift schlecht wegkommst.«
    »Tatsächlich?« Lisey war verblüfft.
    »Ich zeig’s dir.« Amanda studierte ihr Notizbuch, trat an die schlummernde, die ganze Wand

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