Loved by an Angel
du noch, wie sich Tristan auf Moms Hochzeit Salat auf den Kopf gepackt hat?«, fragte Philip. »Und wie der getropft hat? Und weißt du noch, wie er sich Sellerie in die Ohren gesteckt hat?«
»Und Shrimpsschwänze in die Nase«, ergänzte Ivy.
»Und diese schwarzen Dinger auf seine Zähne.«
»Oliven. Ja, daran erinnere ich mich.«
Es war zum ersten Mal seit der Beerdigung, dass Philip mit ihr über Tristan sprach - über den Tristan, mit dem er früher gespielt hatte. Sie fragte sich, warum ihr Bruder plötzlich darüber reden konnte.
»Und weißt du noch, wie ich ihn beim Damespielen geschlagen habe?«
»In zwei von drei Spielen«, bestätigte sie.
»Ja!« Philip grinste bei dem Gedanken, dann lief er los.
Er rannte zu dem Mausoleum, das am Ende einer Reihe prunkvoller Begräbnisstätten lag und klopfte an die Tür. »Macht auf!«, rief er, dann flatterte er mit den Armen und flog vor Ivy her. An der nächsten Ecke wartete er auf sie.
»Tristan konnte gut Sega Genesis spielen«, sagte Philip.
»Er hat dir ein paar coole Tricks beigebracht, oder?«
»Ja. Er fehlt mir.«
»Mir auch«, gestand Ivy und biss sich auf die Lippe. Sie war froh, dass Philip wieder vor ihr herlief. Sie wollte seine glücklichen Erinnerungen nicht durch Tränen zerstören.
An Tristans Grab kniete Ivy nieder und fuhr mit den Fingern über die Inschrift auf dem Grabstein - Tristans Namen und Lebensdaten. Weil sie das kurze Gebet, das in den Stein gemeißelt war, nicht aufsagen konnte - ein Gebet, das ihn den Händen der Engel übergab -, lasen ihre Finger es schweigend. Auch Philip berührte den Stein, dann legte er die Blumen aufs Grab. Er wollte ein T daraus formen.
Er lernt, mit dem Schmerz umzugehen, dachte Ivy, als sie ihn beobachtete. Wenn er es kann, schaffe ich es vielleicht auch irgendwann.
»Das wird Tristan gefallen, wenn er zurückkommt«, meinte Philip und trat einen Schritt zurück, um sein Werk zu bewundern.
Ivy dachte, sie hätte sich verhört.
»Ich hoffe, er kommt zurück, bevor die Blumen verwelken«, fuhr er fort.
»Was?«
»Vielleicht kommt er in der Dunkelheit zurück.«
Ivy hielt sich die Hand vor den Mund. Sie wollte sich nicht damit auseinandersetzen, aber jemand musste es tun, und sie wusste, dass sie nicht auf ihre Mutter zählen konnte.
»Was glaubst du denn, wo Tristan jetzt gerade ist?«, fragte Ivy vorsichtig.
»Ich weiß, wo er ist. Auf dem Festival.«
»Und woher weißt du das?«
»Er hat es mir gesagt. Er ist mein Engel, Ivy. Ich weiß, du hast mir verboten, jemals wieder Engel zu sagen«, Philip redete sehr schnell, als könne er einen Wutanfall vermeiden, wenn er schnell genug redete, »aber das ist er jetzt nun mal. Das hab ich erst heute verstanden, als er es mir gesagt hat.«
Ivy rieb sich mit den Händen über die nackten Arme.
»Er ist sicher noch mit dem anderen dort«, meinte Philip.
»Dem anderen?«, wiederholte sie.
»Dem anderen Engel«, sagte er leise. Dann griff er in seine Tasche und zog ein zerdrücktes Foto heraus. Es war das Bild, das sie von Will bei Old West Photos aufnehmen lassen hatten, allerdings nicht dasselbe, das Ivy bekommen hatte.
Irgendwas war beim Entwickeln schiefgelaufen, vielleicht lag es auch am Film selbst. Hinter Philip war ein trüber Fleck zu erkennen.
Philip deutete darauf. »Das ist sie. Der andere Engel.«
Der Umriss ähnelte dem eines Mädchens. Jetzt verstand Ivy, wie er darauf kam.
»Wo hast du das her?«
»Will hat es mir gegeben. Ich hab ihn darum gebeten, denn auf dem Bild, das er dir gegeben hat, ist sie nicht drauf. Ich glaube, sie ist eine Freundin von Tristan.«
Ivy konnte sich schon ausmalen, was Philips lebhafte Fantasie sich als Nächstes ausdenken würde - eine ganze Sippschaft von Engelfreunden und - verwandten. »Tristan ist tot«, sagte sie. »Tot! Geht das endlich in deinen Kopf?«
»Ja.« Sein Gesicht sah so traurig und wissend wie das eines Erwachsenen aus, seine Haut jedoch schimmerte babyglatt und golden in der Abendsonne. In diesem Augenblick erinnerte er Ivy an einen Engel in einem Gemälde.
»Ich vermisse den Tristan von früher«, erklärte Philip ihr. »Es wäre toll, wenn er noch mit mir spielen könnte. Manchmal würde ich am liebsten immer noch heulen.
Aber ich bin froh, dass er jetzt mein Engel ist, Ivy. Er wird auch dir helfen.«
Sie versuchte nicht, es ihm auszureden. Sie konnte ein Kind, das so innig glaubte wie Philip, nicht vom Gegenteil überzeugen.
»Wir müssen los«, damit beendete sie das
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