Loving
sehen kann, steht ein großer Holztisch mit acht Stühlen. Jetzt ist für fünf Leute gedeckt. Alles in dem Raum ist in Rot, Orange oder Gelbtönen, das Sofa, die Sessel, die Bilder an den Wänden, die Teppiche auf dem Boden, sogar die Teller sind unterschiedlich rotfarbig und stehen auf gelben und orangen Tischsets. Obwohl es draußen noch kalt ist und leicht schneit, ist es hier drinnen sonnig und warm.
Lucas Mutter stellt eine große Schüssel mit Gemüse auf den Tisch und Hannah bringt zwei Platten mit Fleisch und etwas, das Soja sein könnte und stellt sie daneben.
Luzy besteht darauf, dass ich mich neben sie setze. Luca sitzt mir gegenüber, neben Hannah. Monja setzt sich an die Kopfseite, faltet die Hände und senkt den Kopf. Ich schaue mich vorsichtig um, ob die anderen ihr folgen und das ein Tischgebet wird, aber offenbar ist das nur ein stummer Dank an Buddha. Monja verbeugt sich abschließend kurz, hebt dann den Kopf und strahlt mich an.
»Isst du Fleisch?«
»Manchmal.« Ich bin kein großer Fleischesser.
»Wir haben auch Soja und viel Gemüse.«
Sie beginnt, auszuteilen. Luca und Luzy essen Fleisch, Hannah und ihre Mutter nehmen sich vom Soja. Ich entscheide mich für ein kleines Stück Fleisch.
Luzy redet ununterbrochen aufgeregt von ihrem Tag in der Schule, einer Fernsehserie, die sie gerade guckt und wir anderen hören ihr zu. Hannah beobachtet mich.
»Auf welche Schule gehst du?«, frage ich sie, da ich sie noch nie auf unserer Schule gesehen habe.
»Die Waldorfschule.«
»Leistungskurs Weben, Grundkurs Kerzen ziehen«, sagt Luca und Hannah schlägt mit ihrer roten Serviette nach ihm.
»Idiot!«
Doch beide grinsen.
Luzy hat schon aufgegessen und zupft mich am Arm. »Was machst du in den Osterferien?«
»Nichts besonders.«
»Du fährst nicht weg?«
Mein Plan war, in den Osterferien meinen Blog etwas zu erneuern und meinen SUB abzubauen. Das klingt allerdings wirklich sehr langweilig.
»Was machst du denn?«, frage ich Luzy. Auf die Frage hat sie anscheinend schon gewartet.
»Ich fahre mit Papa nach Spanien.«
Ich sehe fragend in die Runde. Gerade hat mir Luca erzählt, er will mit seinem Vater zum Klettern fahren und nun Spanien?
»Ich dachte, ihr geht Klettern?«
Luzy lacht laut, Hannah schmunzelt und senkt den Kopf. Ich sehe zu Luca. Hat er mir Unsinn erzählt?
»Luzy fährt nach Spanien mit ihrem Papa und Lucas Vater will mit ihm Klettern gehen«, erklärt Monja.
Okay. Verstehe. Ich sehe fragend zu Hannah.
Sie grinst offen. » Mein Vater wohnt in den USA. Vielleicht besuche ich ihn in den Sommerferien.«
»Wir haben die gleiche Mutter, aber verschiedene Väter«, erklärt Luzy stolz.
Wir tragen alle unsere Teller in die Küche. Hannah beginnt mit dem Abwaschen und Luca und Luzy greifen sich ein Geschirrtuch. Eine Spülmaschine gibt es offenbar nicht und am Kühlschrank hängt ein Küchenplan, auf dem steht, wer wann abwäscht oder die Küche putzen muss.
»Kann ich helfen?«
»Oh, eine Freundin, die beim Abwaschen hilft, Luca, die kannst du gerne öfter mitbringen!«, sagt Hannah und wirft mir ein Handtuch zu. Die Küche ist klein und eng und Luca lehnt neben dem Herd und trocknet ab. Ich betrachte ihn aus den Augenwinkeln, während ich einen roten Teller abtrockne. Er neckt Hannah und zeigt Luzy, wie man eine Gabel auf einem Messer balanciert und nebenbei trocknet er ab. Ich beneide Luca um seine Geschwister, die Atmosphäre, wie sie sich ärgern und doch zusammen halten, die warme Einrichtung, das gemeinsame Lachen. Ich beneide ihn um die Lockerheit, seine Schwestern, das Leben in einer Gruppe. Dafür würde ich sehr gerne jeden Tag abwaschen oder abtrocknen.
Als wir mit dem Abwasch fertig sind, kommt Monja in die Küche. »Soll ich dich nach Hause fahren? Es ist doch schon dunkel«, bietet sie an.
Ich sammle meine Sachen ein, verabschiede mich und gehe mit Monja nach draußen. Es ist kalt, aber die Abkühlung ist angenehm. Monja hat einen alten VW Golf. Ich steige ein und setze mich. Mein Körper funktioniert, aber mein Verstand ist eindeutig geblendet. Verschattet, Vernebelt. Mir fällt noch nicht mal mehr das richtige Wort dafür ein.
»Verliebt?«
»Was?«, frage ich.
»Der Sitz! Ich zeige dir, wie man ihn nach vorne verschiebt. Ich habe ihn nur wegen Luca so weit nach hinten geschoben.«
»Ach so.« Ich rücke den Beifahrersitz etwas nach vorn.
Monja fährt an und ich sage ihr, wo sie lang fahren muss. Wir schweigen, dabei würde ich gerne mit ihr reden.
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