Loving
Sie kennen lernen. Lucas Mutter.
»Danke, für die Einladung.«
»Oh, natürlich. Du bist doch die Ella, die so gut in Deutsch ist, oder?«
»Weiß nicht.«
Ich starre nach vorne in den Schneeregen. Monja redet unbekümmert weiter.
»Ich fand immer, Luca sollte sich nicht nur um Sport kümmern, sondern auch etwas um Deutsch. Aber vielleicht liegt es in den Genen. Sein Vater ist auch so sportverrückt.«
»Ach, ja? Jetzt bitte rechts.«
Monja fährt im Schneckentempo, was mir nur recht ist. Am liebsten würde ich ihr vorschlagen, dass sie sich an den Straßenrand stellt und mir alles von Luca erzählt. Von seiner Geburt bis heute.
»Na, er macht sich immer noch Hoffnungen und trainiert wie verrückt. Macht Klimmzüge und Hanteltraining, aber das wird wohl nichts mit dem Freeclimbing zu Ostern.«
»Ja, das hat er mir erzählt. Jetzt links.«
Sie biegt vorsichtig ab. Noch eine Straße und wir sind da. Ich überlege ernsthaft, ob ich Lucas Mutter noch eine Runde um den Block fahren lasse, um länger im Auto bleiben zu können. Ich bin verrückt.
»Na, wenn er in den Osterferien nicht wegfährt und du auch nicht, dann könnt ihr ja vielleicht dann die Arbeit machen. Ich finde schön, dass ihr diese Sache zusammen macht.«
»Ja?«
»Ja, er liest endlich mal wieder ein Buch. Er liest übrigens regelmäßig deinen Blog.«
»Ach, ja?«
Mein Herz rast. Und er liest meinen Blog. Regelmäßig.
»Wir sind da.«
Lucas Mutter hält vor unserem Designerhaus. Es ist dunkel, meine Eltern sind noch nicht zurück.
»Danke!«
Monja lächelt offen. »Aber, gerne!«
Ich steige aus und gehe ins Haus. Ich höre, wie der Golf wendet und dann abfährt. Und bin allein.
In der nächsten Woche gehe ich Luca aus dem Weg. Oder versuche es. Er ist schließlich mit Melanie zusammen. In Deutsch sitzt er neben mir und in der Pause steht er neben Zoe und mir mit Melanie in der Halle der Schule. Ich habe das Gefühl, er ist überall, wo ich gerade bin. Oder umgekehrt. Ich denke eindeutig zu viel über ihn nach. Zoe ist ganz mit Sven beschäftigt. Sie hat sogar den Plan, sich mit ihm zu treffen. Allerdings hat sie noch nicht den Mut gefunden, es ihm zu sagen.
Am Nachmittag wird es nicht besser, ich blogge nicht mehr, seit ich weiß, dass Luca meine Einträge liest, ich jogge, ich höre Hörbücher und ich denke weiter an ihn. Und sage es mir immer wieder: Er ist mit Melanie zusammen. Das wissen alle, das sehe ich und muss es akzeptieren. Freunde von Freundinnen sind tabu, auch wenn Melanie eher Zoes Freundin ist.
Ich bin noch für eine Woche vom Ballsport befreit, da es zu gefährlich für meine Augen wäre, wenn mich ein Ball im Gesicht treffen würde. Der Sportlehrer möchte, dass ich trotzdem auf der Bank sitze. Da Luca anscheinend eine Freistunde hat, wenn wir Volleyball haben, kommt er öfter in den Sportunterricht. Aber heute fehlt Melanie. Sie hat ihre Monatsblutungen bekommen und sich vor dem Sport wegen Krämpfen entschuldigt.
»Melanie ist nach Hause gegangen«, sage ich, als Luca mit Krücken in die Halle kommt und sich neben mich auf die Reservebank fallen lässt.
»Ich weiß, ich wollte dich treffen. Du warst so schnell weg.« Allerdings, ich bin am Vormittag aus Deutsch geflohen. Ich halte die Luft an.
»Wieso?«
»Wir sollten uns noch mal treffen. Wegen Deutsch. Solange ich diesen Cast tragen muss, kann ich nicht viel Sport machen. Wenn der abkommt, muss ich mehr trainieren.«
Ich denke vielleicht oft an Luca, aber das heißt nicht, dass ich mein Gehirn verloren habe. Ich habe es nur für eine Weile verlegt. Die nüchterne Art, wie Luca über unser Arbeitstreffen redet, weckt mich auf. Für ihn ist das Leben ganz einfach. Es gibt Sport und seine Freundin Melanie und dann kommt sehr lange nichts. Und jetzt, wo er keinen Sport machen kann, ist die Langeweile tatsächlich so groß, dass er bereit ist, sich mit mir zu treffen und seine Deutschnote aufzubessern.
»Wann?«, frage ich und bin selber erstaunt, wie nüchtern und kühl meine Stimme klingt.
»Freitag?«
»Einverstanden. Wieder so um vier?«
»Lieber um fünf.«
»Okay.«
Am Nachmittag jogge ich, dann gehe ich ins Netz. Ich werde nicht zulassen, dass Luca mein ganzes Leben blockiert. Ich habe Stolz und Vorurteil zu Ende gehört und jetzt werde ich darüber bloggen. Wenn Luca meinen Blog liest, dann kann er schon mal sehen, was ich davon halte und ansonsten werde ich mit Alex über das Buch diskutieren. Die kennt sich wenigstens mit englischer Literatur
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